2008-10-08

Der Konsum bestimmt die Geschichte.

Noch eine Anmerkung zum Thema Bildung:

Nun begab es sich im frühen 21sten Jahrhundert daß die globale Konsum-Leitkultur von den Menschen in den Vereinigten Staaten bestimmt wurde. Die Menschen in den Vereinigten Staaten sind stark von den christlichen Weisungen geprägt und prägen über ihre populären Kultur-Exporte den Rest der Welt. Ohne Kenntnis der christlichen Weisungen ist das begleitende Rahmenwerk dieser Exporte nur schwer zu verstehen - trotz Synchronisation. Wer nicht zumindest einmal die USA besucht hat, wird ungläubig der populärsten Zeichentrickserie aller Zeiten zusehen [Die Simpsons], oder verwundert aus dem Kino wanken wenn mal wieder New York zerstört wurde.

Ein diesen Kulturexport begleitender Trend macht noch mehr Angst: Zunehmend stammt das allgemeine Verständnis historischer Begebenheiten aus populären Verfilmungen und ersetzt die in wissenschaftlicher Literatur und in der Schule vermittelte Sicht der Geschichte. Aus dramaturgischen Gründen kämpfen frühe Menschen mit Dinosauriern, helfen Mamuts bei der Errichtung der Pyramiden, und Menschen aus der Zukunft sorgen für Recht und Ordnung, wenn die Gier der heute real existierenden Menschen mal wieder Überhand nimmt.

Diese haarsträubenden Geschichten werden leicht verdaulich in fetzig-bewegte - neuerdings sogar 3D-Breitwandbilder - verpackt, dem pubertierenden Nachwuchs statt langweiliger Hausaufgaben dargeboten, wird dieses Pseudo-Wissen zum vorherrschenden Allgemeingut in einer Gemeinschaft der Leichtgläubigen.

Entsprechend ist nach dem Geschichts- der Religions-Unterricht der nächste Kandidat, der durch konsumierte Unterhaltung ersetzt wird.

Kinder lernen für ihr Leben und nicht für den PISA-Test

Wobei es die meisten unserer redseligen Politiker wohl genau anders herum sehen, denn anscheinend fühlen sie sich durch das Abschneiden "ihres Volkes" im Ländervergleichs-PISA-Test benotet und meinen in ihrer Aufgeschreckte-Hühner-Manier etwas an unserem Bildungssystem drehen zu müssen.

Nein, es ist doch so dass unsere nachwachsenden Menschen bestimmte Dinge erst mit bestimmten Alter, nach Erwerb von entsprechenden Vorkenntissen Lernen = Begreifen. Das vergleichsweise einfach umzusetzende Lernen = Behalten reicht nun vielleicht noch für den PISA-Test, hat aber wenig mit unser modernen Realität zu tun.

Lesen und Schreiben klappt oft schon im Kindergartenalter - aaaber - das Gelesene auch zu Verstehen, Umzusetzen, zu Hinterfragen, mit anderen Beobachtungen zu verknüpfen, braucht noch viel mehr Zeit und einen gehörigen Schuss Mut in der Erziehung.

Sei nicht verschwiegen daß unser Schulsystem von Leuten erfunden wurde, die möglichst viele getreue Untertanen heranzüchten mussten. Die Zeit der totalitären Regime in Westeuropa ist aber schon lange vorbei, wiewohl manch große Koalition oder selbstherrliche Präsidenten die Rückkehr ein anderes Zeitalter glauben lassen.

Aktueller Anlass zur Diskussion ist die Einführung der sogenannten Portfolio-Arbeit in den Kindergärten einiger Bundesländer - wird damit der Grundstein für eine Bewerbungsmappe für den späteren Bildungs- und Berufsweg gelegt?!? Kinder werden nach jahrhunderte währendem Frontalunterricht mit Kleinprojekten und Auswahl nach ihren Fähigkeiten aber doch sinnvoller ins Leben begleitet als mit Zensuren und Abschlusspapieren, auf die man in deutschen Landen immer noch viel zu viel Wert legt.

Schliddert Frankreich wieder in einen heissen Herbst?

Passend zum Thema Polizei und Vorstädte hatten wir in letzter Zeit einige mutige Reportagen im französischen Fernsehen (FR3) gesehen, die ausführlich über das Herumgeeiere in der französischen Vorstadtpolitik, sowie dem offensichtlichen Konflikt zwischen der BCBG-Ministerin und ihrer volksnahen Staatssekretärin berichteten. [Anmerkung, FR3 ist mit seinen Reportagen und Interviews um einiges bissiger als die deutschen Staatsmedien]

Ich habe einige Jahre in Sichtweite der sagenhaften Trabantenstädte gewohnt, denn wohlmeinende Kollegen hatten mich ausdrücklich vor diesen Wohnvierteln gewarnt. Und wirklich, einmal dort gelandet kommen die Bewohner kaum wieder heraus - katholische Segregierungspolitik hin oder her. Wer nur mit der S-Bahn "RER" den Großraum Paris und die Städchen an den Bahnhöfen besucht sieht wenig von der Misere, denn alle RER-Linien sind von einem Speckgürtel höherpreisiger Wohn- und Arbeitsgebiete umgeben.

Aber entlang vergessener Landstraßen, in der Nähe von Autobahnen ohne Ausfahrt, oder hinter wegen Fluglärm / Bodenverschmutzung / Militär unbebauter Brachfläche .. lauert manch niedliche Hochhaussiedlung im Stile der 70er-Jahre-Euphorie. Nach lange vergessenen Jahren der Vollbeschäftigung ist die dort angesiedelte Bevölkerung in die Armut gealtert, der Beton bröckelt, und die Verbindung zur Aussenwelt, die Busse, fahren immer seltener seit einige angezündet wurden.

Nur ein Beispiel zur gezielten Vernachlässigung ist die seit Ende der 80er Jahre geplante Ring-RER, basierend auf BEREITS VORHANDENEN Eisenbahn-Trassen. Hier wurde jahrzehntelang absolut nichts unternommen, wohl um den zentralen Charakter von Paris zu wahren und die Immobilienpreise in der Hauptstadt hoch zu halten. So sehr die Präsidentenwahl letztes Jahr vom Opportunismus geprägt war, so sehr wird die Innenpolitik dieses Jahr vernachlässigt - muss es erst wieder ein heisser Herbst werden?!?

Vielleicht wird es kommen wie bei Asterix: ein paar Tropfen Zaubertrunk und die Vegetation holt sich die Ghettos der französischen Bevölkerungspolitik zurück?

Nichtwähler räumen bei der Landtagswahl ab. Heute: Bayern.

Ich wiederhole mich nicht gerne, aber eine Landtagswahl im bayrischen Spätsommer zur Wiesn-Zeit mit Biergartenwetter, die sollte doch mehr als ein..zwei tumbe Geister in der Republik wecken: Die Nichtwähler haben mit knapp 42 Prozent fast so viele Stimmen, wie denn die bayrische CSU im amtlichen offiziellen Endergebnis. In Wirklichkeit - und diese exisitiert nicht in den Staats-Medien, sondern nur in einer Vielzahl Blogs und InterNetseiten - gibt es folgende Prozente für die repäsentierbaren Parteien:

Nichtwähler 41,9
CSU 25,2
SPD 10,8
Grüne 5,5
FW 5,9
FDP 4,6
Linke 2,5

Heuer stecken die Nichtwähler BEQUEM die ersten drei Parteien in die Tasche, aber natürlich ist diese Wahrheit UNBEQUEM. Also tut man als sei nichts geschehen, wechselt das unselige Führungsduo und man verteilt die vorhandenen Pfründe unter den "gewählten" Repräsentanten. Bei einer angemessenen Repräsentation der Nichtwähler würden die restlichen Hansels und Gretels es unmöglich schaffen, überhaupt irgendeine Regierung zustande zu bringen, wie es das virtuelle Regiment der Frau Ypsilanti in Hessen zeigt.

Die endlose Geschichte .. eine U-Bahn in Karlsruhe?!?

Bei Amazon in den Buchbesprechungen zur Stadtplanung gefunden: "When I was in university taking urban planning over 25 years ago, Jane Jacobs was required reading. It was the only book on the book list that I have since re-read. Ms. Jacobs outlook on the development of community and her examples of healthy and unhealthy communities is as pertinent today as it was 25 years ago. Her concepts of making our communities safe by keeping people on the streets is critical. Her ideas on mixing land uses to keep areas active all the time and returning to the old lifestyles of shop owners living above their stores, are critical to the safe and happy communities. Knowing your neighbours, not blocking views with garages and fences...sitting on your front porch with your after dinner coffee watching the children play games and tending your garden and meeting your neighbours...these are the things we need to get back to - and these are not neo-traditional, they are good common sense."

Der Schlüsselsatz ist wohl: keeping people on the streets [to make the community safe]. Menschen nicht in Autos oder gar unter die Erde verbannen, damit die Nachbarschaft weiterhin sicher bleibt. Menschen die auf eine Straßenbahn warten geben unser leblosen Innenstadt ein wenig Leben zurück wo sonst nur Kommerz das Straßenbild beherrscht. Oder möchten wir Karlsruhe in eine Touristenfalle à la Heidelberg - auch dort fahren Straßenbahnen durch die Straßen - verwandeln? Karlsruhe ist leider keine Zwangsstation für alle "3-days 7-countries of Europe"-Touren, so bleibt uns dieses Schicksal hoffentlich erspart. Mit Heidelberg gemeinsam haben wir in Karlsruhe einen ziemlichen Abstand zwischen Hauptbahnhof und Kern-Innenstadt. Als ich vor nunmehr 30 Jahren meine erste große Deutschlandtour - mit TramperTicket der Bundesbahn und Jugendherbergen - machte, war dies wenig praktisch. Aber genau so hinderlich ist es den Autoverkehr auf einer Stadtautobahn am Zentrum vorbeizuführen, da dies zwangsläufig zu eine Abgrenzung "dahinter" führt, wie sonst nur die Schmuddelquartiere hinterm Hauptbahnhof. Die Stadtautobahn Südtangente hat ihre Berechtigung, die Stadtautobahn Kriegstraße hat diese nicht!

Bleibt darauf zu pochen, dass die neue Kriegstraße wirklich "auf jeden Fall" kommt, wie dies von den offiziellen Befürwortern der U-Bahn nur allzu oft vollmundig versprochen wurde.

2008-05-29

Sozialer Wohnungsbau - in Monaco

Was auf den ersten Blick wie ein Oxymoron aussieht, ist moderne Realität in Orten auf die sich die Immobilienspekulation konzentriert. Das Fürstentum mit seiner arg begrenzten Landesfläche bietet der Spekulation ein ideales Ziel, da die Nachfrage durch obendrein ausgesprochen finanzkräftige Investoren groß, die verfügbaren freien Resourcen sehr knapp und die dadurch erzielbaren Preise und Margen hoch sind. Nach 50 Jahren Bauboom gibt es nun unverkennbar sehr viele Hochhäuser auf dem schmalen Küstenstreifen, aber trotz europäischer Rekord-Bevölkerungsdichte will Monaco nicht so recht aus den Nähten platzen, denn niemals sind alle die hier wohnen auch wirklich gleichzeitig im Lande - selbst nicht in der Woche wenn die Formel 1 ihr Autorennen in den engen Gassen veranstaltet. Die Belegungsrate in den Hotels steigt dann zwar auf 80 bis 100%, aber die meisten Appartmentbauten - und vieles was von spanienverwöhnten Urlaubern als Hotel wahrgenommen wird ist in Wirklichkeit eine mehr oder weniger monströse Aufeinandertürmung von Eigentumswohnungen - stehen mindestens zur Hälfte leer, bzw. machen einen generell unbewohnten Eindruck - je neuer das Gebäude desto unbewohnter wirkt es. Und dies nicht aus Angst vor Dieben, denn die machen bekanntlich einen weiten Bogen um den bestüberwachten Polizeistaat an der Riviera.

Im Sommer 2008 wird ein Großprojekt in Monaco fertig, die Umwandlung des ehemaligen oberirdischen Bahnhofs, der schon vor Jahren tief in den Fels gezogen ist. Die neuen Gebäude alle schmuck im pseudomonegassischen Stil der auch russische Investoren anspricht, mit direktem Zugang zum unterirdischen Bahnhof und Mini-Fußgängerzone in der Mittags die Sonne scheint, damit die Büroangestellten in den Genuss des virtuellen Lebensraumes Cote d'Azur kommen. Die 5 Hektar dieses Projektes sind nun aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein Immobilienspekulation an der Riviera.

25 Hektar im Meer vor Monte Carlo hören sich da schon viel besser an. Das nächste monegassische Jahrhundertprojekt - ein Stadtviertel im Meer - lässt auf Großes hoffen, zumindest was die Größe der Baustelle betrifft. Glücklicherweise wird damit kaum der Wert der existierenden Immobilien geschmälert, da ein Teil Küste "aus ökologischen Gründen" anvisiert ist, der selber schon ins Meer geschüttet das Kongresszentrum, den Japanischen Garten und eine öffentliche Tiefgarage beherbergt. Die Seewasserzufuhr zu den Larvotto-Stränden wird zwar während der Jahre des Baus dieser Pontonstadt leiden, aber diese Strände dienen eher zur Dekoration der sie umgebenden Immobilien und werfen kaum Geld ab.

Der zusammen mit den ökologischen Errungenschaften ebenfalls hochgehaltene Soziale Wohnungsbau für die hier am monegassischen Existenzminimum arbeitende Bevölkerung wird vermutlich in die inneren Zellen des Neubauprojektes eingearbeitet werden und bedeutet Wohnungen ohne viel natürliches Tageslicht, mit "günstiger Verkehrsanbindung" sprich an der Zufahrtsstraße zum Tunnel der die schwimmende Stadt an das restliche Monaco anbinden wird. Ob Touristen dorthin gelassen werden ist noch zweifelhaft; falls sich ein Projekt mit Promenade am Meer durchsetzt, gäbe es von dort aus einen sehenswerten Überblick auf das Fürstentum nebst umgebendes Frankreich. Aber wenn wie schon im seit den 80er Jahren ins Meer geschütteten Wohnviertel Fontvielle die Promenade dem Profit der Immobilienbranche zum Opfer fällt, gibt es wohl einen weiteren weissen Fleck auf der touristischen Landkarte Monacos.

Ob die hochgesteckten Ziele des Mamutprojektes wirklich erreicht werden, steht dann noch in den Sternen, aber vollendete Tatsachen sind den herrschenden Mächten meist lieber als zögerliche Änderungen weil sich zwischenzeitliche Einwände als begründet und sinnvoll erweisen. Die seit 2001 im Bau befindliche Erweiterung des Herkuleshafens ist verglichen mit der Gesamtgröße des Fürstentums schon eindrucksvoll, bleibt aber in einigen Punkten hinter den vollmundigen Versprechungen der ursprünglichen Projektplanung zurück, insbesondere was die Kommerzialisierung der Quais betrifft: statt Luxus-Shopping für Kreuzfahrer gibt es nur öde Betonwüste, auf der auch schon mal Container zwischengelagert werden.

In anderen Orten der französischen oder italienischen Riviera findet Sozialer Wohnungsbau weitab der Küste in versteckten Tälern, neben ehemaligen Sondermülldeponien oder staubigen Zementwerken statt, da einzig in solchen Lagen der Wohnraum für wirklich hier lebende und abhängig beschäftigte Bevölkerung noch bezahlbar ist. Das moderne Leben an der Küste erinnert an die dunklen Tage im Mittelalter, als sich die Ligurier und Provencalen aus Angst vor plündernden, mordenenden Sarazenen, Kreuzfahrern und Piraten auf Trutzburgen und Hügelssiedlungen fernab der Küste zurückzogen, um an friedlichen Tagen ihre sorgsam versteckten Äcker zu bestellen.

Nun kommt heutzutage zwar niemand wirklich körperlich zu Schaden, aber der Entzug des zentralen Lebensraumes der ursprünglichen Bevölkerung - und dies sind zum Teil vor einigen Generationen zugewanderte Italiener, Algerien-Franzosen und Engländer - aufgrund von Immobilienspekulation kann mit der Vertreibung aufgrund von Kriegsereignissen verglichen werden. Zunächst werden die Innenstädte von Geschäften des täglichen Konsums befreit, in Menton fand dies zwischen 1990 und 2007 statt, selbst der beliebte Delikatessenladen am Ende der Avenue Felix Faure wurde durch eine Boutique ersetzt. Nun reiht sich in der Fußgängerzone ein Handyladen an Schuhgeschäft and Pseudonobel-Boutique und der Bereich um die Altstadt ist vollständig mit Andenkenläden vollgekleistert. Zusammen mit der Entvölkerung der besseren Wohngegenden - in einem Spekulationsobjekt zu wohnen heißt dessen Wert zu mindern und ist damit kontraproduktiv - geht eine Vergreisung die gerade in den Kleinstädten der Riviera besonders ins Gewicht fällt.

Selbst die Besucher der Küste der Spekulanten sind von diesem Vorgang nicht verschont, sei dies an einem Beispiel illustriert: Ich besuche seit Mitte der 80er Jahre den Campingplatz St Michel in Menton, und bis in die späten 90er Jahre fanden sich hier auch in der Nebensaison junge Leute, Familien mit Kindern, wie man dies von einem sommerlichen Camping erwartet. Seit der zweite Campingplatz in Menton einem Immobilienprojekt gewichen ist, bleibt nur noch dieser Camping oder die Jugendherberge für junge Reisende ohne großes Budget. Aber die Kinder der Generation Ballermann zieht es längst in die All-Inklusive-Ghettos in der Türkei oder am Schwarzen Meer. In Menton finden sich nun größtenteils Mitglieder der nicht mehr arbeitenden Bevölkerung, speziell auf dem Campingplatz mit manchmal überdimensionierten Wohnmobilen denn die Zufahrtsstraße ist für Dreiachser nicht geeignet und es ist ein Gaudi für alle Camper wenn jemand die enge Bergstraße hinauf kriecht der die entsprechenden Schilder übersehen hat.

Aber Spass beiseite, findige Stadtväter sehen sicher dieses Problem, wie die Entvölkung der Küste aufhalten, gar reversibel machen? Etwas weiter westlich im Department Alpes Maritimes, wurde die Küstenstraße zwischen Villeneuve-Loubet und Nizza deutlich entschleunigt, von 3 auf 2 Spuren zurück gebaut, ein Streifen für mutige Fahrradfahrer eingearbeitet, die Gastronomie auf der Uferpromenade ausgeweitet, einige Mini-Tunnel durch Rond-Points ersetzt. Obendrein weist die Beschilderung den unkundigen Durchgangsverkehr auf die gebührenpflichtige Autobahn, die entsprechend verstopft zum Verweilen einlädt, allerdings verpesten die wenig entrußten Dieselautos nun die Wohnviertel der hier arbeiten Bevölkerung, statt die leerstehenden Immobilienprojekte an der Küste.

St Petersburg 2008

Die 305 Jahre alte Zarenstadt ist dank florierendem Handel - Petersburg ist weiterhin DAS Tor zur Welt für das russische Kernland - im 21sten Jahrhundert angekommen. An allen Ecken und Enden der Stadt wird schwindelerregend - angeblich nur bis 75 Meter hoch - gebaut, die Immobilienpreise sind auf westeuropäischem Niveau angekommen, nur die Kaufkraft einer prekären Mittelschicht hinkt noch weit hinterher, wiewohl sich Outsourcing nach St Petersburg schon lange nicht mehr lohnt. Immerhin, die Banken scheinen guten Willens gegen 12..15% Kreditzinsen auf die Zukunft ihrer Kunden zu wetten.

Das Straßenbild im Stadtzentrum wird inzwischen von westlichen Automobilen dominiert, Werbung beginnt ganze Straßenzüge zuzukleistern, Videoschirme an Kreuzungen vertreiben aufgestauten Autofahrern die Zeit. Die Stadtverwaltung kämpft eifrig mit Kehrbesen und Wassersprühwagen gegen den vom Winter übriggebliebenem Staub, selbst in den Vororten wo noch Schiguli und Lada die Straße beherrschen. Die Qualität der Fahrbahnen und Bürgersteige macht langsam Fortschritte, nigelnagelneue Straßenbahnwagen warten noch auf gerade verlegte Schienen. Das Eisenbahnwesen kann bestenfalls als "marode" bezeichnet werden, vergleichbar mit den USA in den 80er Jahren, als dort die Personenbeförderung aufgegeben wurde und der Gütertransport noch nicht wiedererstarkte. In der Luft sieht es etwas besser aus, die lokale Fluggesellschaft Pulkovo wurde mit Russia zusammengelegt, fliegt aber weiterhin häufig nach Deutschland, wenn auch auf einem Preisniveau mit Air Berlin und Lufthansa. Eine schwedische Firma sorgt für einen modernen und zuverlässigen Flughafenbus, nur die leidige Registrierung für Ausländer ist immer noch lästig, wenn man nicht in einem Hotel wohnt. Der östliche Autobahnring erfreut sich der ersten Falschfahrer, etwaige Fahrbahnmarkierungen sind nach dem Winter durch Spikes heruntergehobelt, der russische Fahrstil schwankt zwischen "Bandit" und übervorsichtigen Oka-Fahrer(innen). Immerhin ist dies ist die erste richtige Autobahn in der 4-Millionen Stadt, an weiteren Strecken wird fleissig gebaut. Über den Ring im Osten und einen verbreiterten Deich kommt man nun schnell bis Kronstadt, eine Marinesiedlung die vom kalten Krieg verlassen wurde. Wann der Ostseewall nach Süden weitergebaut wird steht zunächst noch in den Sternen, würde er den Trucks aus Viborg einen direkten Weg in den Petersburger Hafen ebnen.

Weniger kosmopolit geht es in den Schlafstädten der Ostsee-Metropole zu. Rund zwanzig Jahre nach Perestroika strömt eine neue Generation in die an strategischen Stellen platzierten Einkaufszentren. Zum Stadtjubiläum 2003 gab es für die Wohnriegelsiedlungen neue bunte Spielgeräte und einige Grünanlagen werden wohl auch weiterhin offiziell gepflegt, aber oft greifen die Bewohner selbst zu Schaufel und Hacke und gestalten das sie umgebende Gemeinschaftsgrün etwas ansehnlicher. Selbst an der viele Jahre stillstehenden U-Bahn Baustelle in der Turku-Schneise wird wieder Dreck aus der Erde gefördert, angeblich soll die Verbindung in den Millionenvorort Kupchino bis 2010 fertig sein. Mir ist nicht ganz klar wer denn in all den neu gebauten Wohnungen wohnen soll, denn mit der nachwachsenden Generation steht es in Russland kaum besser als in Westeuropa. Vielleicht sind es Innenstadtbewohner die von den zunehmend elitären Kitschbauten aus ihren zentral gelegenen Wohnbezirken vertrieben werden? Für Zimmerchen im Palast am Nevsky oder an der Neva werden Preise verlangt, die gute Lagen in London oder Paris alt aussehen lassen. Um Raum für Immobilienprojekte in der Innenstadt zu schaffen, werden reihenweise Bauten aus der Stalinzeit plattgemacht, so dass einige Straßen ihr sozialistisches Flair verlieren und nun ein Sammelsurium aus Neo-Kitsch und vorrevolutionärem Rokoko die Augen des Besuchers erfreuen. Denkmalsschutz in St Petersburg hat einen schweren Stand denn die halbe Innenstadt wäre schützenswürdig. Da weder Stadt noch Staat sich dafür zuständig fühlen, bleibt es privaten Interessen überlassen das eine oder andere Kleinod vor der Radikalmodernisierung zu bewahren.

Aber noch sind wir nicht so weit mit der Immobilienblase im europäischen Raum, in Russland gilt es in den nächsten Jahren erstmal, mit rund 20 prozentiger Teuerung die Energiepreise auf Weltmarktniveau zu hieven. Super Bleifrei notiert derzeit um 25 Rubel der Liter, also umgerechnet knappe 80 Eurocents. Elektrizitäts- und Gaspreise bewegen sich immer noch auf "fast geschenkt" Niveau, so dass kaum Anreiz besteht überhaupt etwas Energie einzusparen. Die in Deutschland so beliebten Energiesparlampen sind nahezu unbekannt, und die (Fern-)Heizung im nordischen Winter wird durch Öffnen der Fenster reguliert.

2008-04-28

Artefakte aus der Vergangenheit: Audio-Mix-Kassetten [1963 bis in die 90er Jahre]

Die schwarzen, etwa zigarettenschachtel großen Plastikkassetten mit braunen Magnetpartikelbändchen waren einmal unsere Tagebücher zum Anhören. Penibel vom Radio aufgenommene oder aus Musiksammlungen zusammengestellte Cassetten wurden mit lustigen Buchstaben bemalt oder einfach nummeriert. Damit gab es unser persönliches Musikprogramm, wo sonst in verrauchten Gaststätten Geld in eine Jukebox zu werfen wäre oder daheim nach jedem Stück eine andere Platte aufzulegen war. Populäre japanische Leer-Kassetten hatten meist 90 Minuten Laufzeit, allerdings musste nach 45 Minuten die Kassette gewendet werden und erst in den 90er Jahren wurden Autoreverse Tape Decks populär, bevor diese sequentiellen Tonträger ganz verschwanden. Mit den individuell aufgenommenen Kassetten wurden unsere Aufbrüche und Ausbrüche, der Sommer, die Liebe, oder der Weltschmerz des jungen menschlichen Lebens definiert. Für einen Fünfer (denn so teuer waren gute Cassetten in den 80ern) hatte jeder 15-jährige die Möglichkeit, DJ und Cover-Künstler für den besseren Freundeskreis zu werden.

Unnütze Bedenken wie staatsgefährdende Urheberrechtsverletzungen kamen den damaligen Cassetten-Mix-Meistern nicht in den Sinn. Es waren einfache Zeiten, und es gab subtilere Gesetze zu beachten, wie zum Beispiel Punk und Wave-Strecken immer wieder durch Reggae und World Music aufzulockern, wie dies der unvergessene John Peel in den späten 70er Jahren im englischen Radio zelebrierte. Unsere jugendlichen Mixmeister verteilten ihre Cassetten gerne an holde Weiblichkeit, und rieben sich dann ganz verwundert die Augen, wenn sie erzählt bekamen, dass eine Freundin der Freundin die Musik gaaaanz toll findet, ein Kennenlernen leider genauso gaaanz ausgeschlossen sei - damals fehlten eindeutig moderne Kommunikationstechnologien und natürlich die ganzen Möglichkeiten des Internets.

Mix-Kassetten, wie auch die Audiokassette selbst, sind zur Ikone vergessener Jugendkultur geworden. In den 90er Jahren wurden sie von noch materiell vorhandenen CD-ROMs abgelöst, die wiederum den entdinglichten MP3-Playlists zum Opfer fielen, damit war nun die Schöpfungshöhe auf dem niedrigst möglichen Level angelangt. Keine Gedanke mehr an eine sorgsame Wahl der Abfolge - die meisten spielen ihre MP3s eh in zufälliger Reihenfolge ab - und eine fantasievoll gestylte Verpackung ist auch hinfällig geworden. Die neueren Formate haben nichts vom Glitter der klassischen Maxell oder der satten Solidität von TDK SA - Kassetten-Kopien waren langwierig in der Herstellung und häufig gab es nur ein einziges Mastertape.

In den 80er Jahren wurde ich zum lokalen Meister der independent mix tapes. Es war aber gar nicht so schwer, Meister von irgendetwas in einem Kaff in der norddeutschen Tiefebene zu werden. Ich hatte zwei Tapedecks daheim und konnte anhörbare Kopien zusammenstellen. Bis Ende der 80er kamen auf diese Weise rund 30 teilweise mit aufwendigen Overdubs produzierte Cassetten zusammen. Inspriation holte ich mir aus dem Radio, war auch nicht schwer denn ich wohnte bis 1990 im Empfangsbereich des britischen Besatzungsradios BFBS - mit dem besten DJ der damaligen Zeit: John Peel. In den 80er Jahren kamen dann Andy Kershaw, Tim Westwood und David Rodigan mit ihren themenbezogenen Shows für World Music, Rap und HipHop, sowie Reggae dazu. Diesen DJs war die freie Auswahl der Musik gestattet und revolutionär war Ende der 70er Jahre auch die unbändige Energie vieler neuer Gruppen, auch mit einfachen Mitteln Musik zu machen, nachdem die konventionelle Rockmusik in den post-68er-Jahren im verkünstelten Glamour-Pomp-Rock versumpfte. Nach dem Reggae kam in den 80ern die World Music dazu, von der ich durch meine Kurzwellenerfahrung schon einiges gehört hatte. Beständiges konstantes Element hinter "meiner" Musik ist der Roots Reggae der 70er-80er Jahre geworden, noch heute bin ich auf der Suche nach raren Dubs die ich vor -zig Jahren einmal im Radio gehört hatte, dank Internet - dem Roots Archive zum Beispiel - klären sich nun allerdings einige Rätsel vor denen ich damals als 15-jähriger gestanden habe: Lord Sassafrass der rotzfrech über das Upsetter-Travelling von Deborah Kerr toastet - bei Youtube wiedergefunden! War wohl 1976 oder 77 eine 7" für die jamaikanische Jukebox, hat es nicht auf die Build the Ark III von Lee Perry dem Upsetter auf Trojan Records geschafft.

Hier meine mir noch bekannten/vorhandenen Tapes:

1991/04 - Don't cry or is dere a Future?
1990/?? - Coruption / Multivarious
1989/10 - Where is the bass?
1989/04 - DiscoDub I - JBSounds
1988/11 - Yoho in the Dark - All that Jazz
1988/04 - Boys & Girls
1987/10 - Rocktober - Der Bananenkönig
1987/02 - IP-OP - Hip Hop Extravaganza - Its my Party
1986/09 - Vremjaspektr - Das Spektrum der Zeit mit John & Dave
1985/02 - Fab Feb on JBS - & the Twins
1984/12 - Yes, forever, No not again! - together on electric chair
1984/09 - Herbst '84 - jenseits von Gut und Böse (featuring Ausschnitte der Roten Herbstcassette)
1984/?? - Die Schwarze - Die Toten reiten schnell
1984/04 - Die Grüne - für Vittoria & friends
1984/03 - DJ Clash - reggae meets JB Sound
1984/02 - Die Weisse - Discopop The Good Reggae
1983/11 - 83 Stylee - New and Reggae for X-Mas
1983/10 - Electro - Wild Style on Metal 46 tape
1983/09 - Quick Pop-Out - giveaway to the Düsseldorf posse
1983/05 - More Amore / ina different style
1983/01 - 83 Struggle / Der Stand der Dinge
1982/?? - Sound der Arbeit - Jah Bernhard from the Star Controls
1981/11 - Discourse in sound - another program for another community on just another planet
1981/09 - Menton '81 - live featuring the menton beach combo
1981/09 - Best of Summer 81 - Monaco, Menton, Torremolinos
1980/02 - Das 4.Programm - Stoppt Strauß Cassettenlabel - Fanzine style
1980/01 - Das 3.Programm - Stoppt Strauß Cassettenlabel - Fanzine style
1979/12 - Das 2.Programm - X-Mas in Germany
1979/09 - Das 1.Programm - Punk & Reggae
1979/02 - Copy of the 3. Kind - Punk & Reggae
1978/12 - The lost tape - Golden Punk

Update 2013: Die Kassetten aus den 80er Jahren hören sich dank TDK SA und Maxell UDXL allesamt noch sehr frisch an, soweit ich dies mit meinen gealterten Ohren beurteilen kann. Einzig einige damaligen "Chromdioxid" Bänder aus deutschen Landen haben deutlich an Pepp verloren. Gut daß ich damals auf die Japaner gesetzt habe.

2008-03-20

Karlsruhe - Ein Radweg nach Durlach?!?

Zwar befindet sich eine neue Radroute Grötzingen-Durlach-Innenstadt in der Planung, aber so recht wohl ist keinem dabei, der den sogenannten "Radweg" an der Durlacher Allee einmal wirklich mit dem Rad befahren hat. Der Abschnitt zwischen Gottesauer Platz und Durlach kann stadtauswärts bestenfalls als "no go area" beschrieben werden: vorbei an Ruinen, Asylantenheim, letzter Tankstelle geht es über den dreckigen holprigen Radweg zur Autobahn - nun wirklich kein ausgesprochenes Ziel der Radwegnutzer - über verschiedene Eisenbahnbrücken schliesslich nach Durlach hinein, wo wir bei Geradeausfahrt mit einer Sonderspur bis vor die Ampel für die mutige Fahrt belohnt werden!
Wenn es an die Rückfahrt von Durlach in die Stadt geht, erwartet den wackeren Radler noch vor der Autobahn eine halsbrecherische Abfahrt unter der einmündenden Bundesstrasse 10 hindurch - die Querung der Autobahn ist ein Kinderspiel dagegen. Während der Autoverkehr ungehindert gen Karlsruhe braust, haben gesetzestreue Radnutzer ein oder zwei Minuten Verschnaufpause an der Ampel vor dem Möbelhaus. Erst vor der EnBW Zentrale lässt es sich wieder einigermaßen flüssig fahren, und bis zum Durlacher Tor gibt es sogar eine Sonderspur. Vor der Universität bleibt einem Radler die Wahl zwischen Fußweg oder der Fahrbahn, für die sportlicheren unter uns keine Frage..

Welche Alternativen zu diesem Musterbeispiel eines vom Automobilitätsförderungsclub angelegten Radfahrer-Abschiebe-Weg gibt es?

Die Nordroute: Von Durlach über die Hubstraße, am Sportverein und Kleingärten vorbei erreicht man eine für Radfahrer problemlose Querung der Autobahn. Aber der Elfmorgenbruch ist kein Ziel für Autovermeidungsverkehr, und die Straße hinaus zum Industriegebiet Hagsfeld möchte man Zweiradfahrern nicht empfehlen. Also am alten Wertkauf vorbei gekämpft, kommt man schießlich in die Gerwigstraße und zur Universität. Die Fahrt zurück ist leider auch ein rechtes Abenteuer, wurde doch von den Betreibern des Wertkaufs die Benutzung von Zweirädern nicht weiter in Betracht gezogen, und entsprechend darf man sich mit einkaufsgeilen Autofahrer(innen) den Straßenraum "teilen".

Interessanter ist die Südroute: Eigentlich könnte es so schön einfach und vor allem sicher immer an der Bahn lang vom Bahnhof Durlach in die Innenstadt gehen, aber dazu später. Zunächst machen wir einen Abstecher nach Südwesten, die Killisfeldstraße hat zwar keinen richtigen Radweg [geteilt mit Fußgängern, oder auf der anderen Seite, unübersichtlichen Tankstellen], aber wir kommen irgendwie bis zur Ottostraße wo die Stadt sich vor vielen vielen Jahren etwas Mühe gegeben hat. Leider in den letzten Jahren nicht mehr, so ist dem Radler ein Mountainbike wärmstens empfohlen. Gute Bremsen braucht man auch, denn hinter den parkenden Autos wird man leicht unsichtbar für die zahlreichen Abbieger. Hinter der Autobahn kann man auf der Ottostraße bleiben und kommt dann über die Wolfartsweierer Brücke zum Ostring und auf die Ludwig-Erhard-Allee wo ein schöner Radweg kurz vor der Innenstadt ganz einfach aufhört. Abenteuerlicher Höhepunkt ist zweifellos der Unfallschwerpunkt Wolfartsweierer Straße / Stuttgarter Straße, wo nichtsahnende Rechtsabbieger mit einer lustigen Ampelschaltung den Radfahrern vor den Lenker geschubst werden - hier sind Unfälle vorprogrammiert, die manchmal in der Ottostraße lauernde Durlacher Polizei - darauf angesprochen - ist natürlich nicht zuständig.
Also gut, der sehr ortskundige Radler findet eine Alternative für den Weg zum Hauptbahnhof oder in die Südstadt: Am Ende der unscheinbaren Maybachstraße wartet nicht nur der Wertstoffhof des Amtes für Abfallwirtschaft auf unseren Sondermüll, sondern auch ein Radweg nach Karlsruhe! Es geht am Güterbahnhof entlang bis zur Ettlinger Allee. Hinter dem Hauptbahnhof gibt es noch ein paar abenteuerliche Straßenquerungen, und man kann endlich den Radweg an der Alb nutzen, um ohne weitere Komplikationen in die westlichen Stadtteile der sogenannten Radlerstadt zu gelangen.

Was am perfekten Radweg zwischen Durlach und dem Karlsruher Süden fehlt, sind einige hundert Meter an einer Kleingartenkolonie vorbei, der Platz ist vorhanden: Rostige Gleise führen immer noch zum ehemaligen Durlacher Güterbahnhof, der längst von Supermarkt, Altenheim und Immobilienprojekt überwuchert ist. Das fehlende Stück bis zur Maybachstraße führt über ein zwei öde Abstellplätze und unter der Autobahnbrücke hindurch. Wahrscheinlich muß es erst Tote geben, bevor diese einfache und kostengünstige Lösung in Betracht gezogen wird.

[Update Herbst 2008] Einige Meter des schrottigen Radwegs vor den Autohäusern in der Ottostraße werden grunderneuert. Unfallschwerpunkte werden dabei leider nicht entschärft, so lockt die Brötchenbude der Bäckergenossenschaft weiterhin wild parkende Autofahrer auf den Radweg.

2008-03-12

CeBIT 2008

So eine Art Funkausstellung .. für lau?

1977 war ich zum ersten Mal auf der damaligen Hannover-Messe mit ein oder zwei Hallen Elektronische Datenverarbeitung - die damals aufkommenden Mikrocomputer waren zunächst in Halle 9 bei der elektronischen Ausrüstung, zwischen Lötkolben und Funk versteckt. Anfang der 90er war ich ein letzes Mal auf der CeBIT. War damals schon schwer sich zwischen Ständen mit Formel-1 Autos und solchen mit Bikinimädchen zu entscheiden. 2008 - in direkter Konkurrenz zur spätsommerlichen Funkausstellung - ist aus den Centrum der Büro- und Informationstechnik wohl endgültig eine Art Rummel in der Halle geworden. Apropos die Halle, in diesem Jahr erstmal ohne die Halle 1, die nach unbestätigten Gerüchten in eine Art Museum des deutschen High-tech gewandelt werden soll: AEG-Telefunken, Siemens-Nixdorf, Schaub-Lorenz, und wie sie alle hießen.

Die Messeverwaltung feiert jedes Jahr neue Hiobsbotschaften: Nach den in der Hannoverschen Fußgängerzone verteilten Freikarten 2007, wurden dieses Jahr Hinz und Kunz formell richtig über Mailings und per Zeitschrifteneinlage "eingeladen" und es würde mich nicht wundern, wenn die Messe-AG bald auch einige Aussteller mit "Antrittsprämien" nach Hannover lockt. Oder sie bauen ihr "Hospitalitätskonzept" aus und aus der CeBIT wird eine Art norddeutsches Oktoberfest?

Nun, nächstes Jahr kommt die Woche der Wahrheit: 2009 werden CeBIT (03. - 08.03.2009) und Embedded World (03. - 05.03.2009) in der selben Woche stattfinden. Die ganz harten Besucher werden unter der Woche in Nürnberg sein, um dann am Wochenende in der Hauptstadt der norddeutschen Tiefebene zu chillen. Immerhin hat die Embedded es geschafft, sich von Europas größter Biofachmesse loszureißen.

2008-03-08

ITB 2008

Ist Qualitätstourismus die Lösung für unsere südeuropäischen Küsten?

Geschichtlich gesehen gibt es den sogenannten Qualitätstourismus an der Riviera schon seit Mitte des 19ten Jahrhunderts, mit dem Effekt dass zwischen Toulon und La Spezia so ziemlich jeder Fleck mit Meerblick durch mehr oder meist weniger pitoreske Beherbergungsbauten zugepflastert ist.

Die neuerlich wachsende Nachfrage aus Osteuropa und sogar Asien befriedigend, werden immer wieder neue, noch weitestgehend ursprüngliche Küstengebiete per Brandrodung (Griechenland 2007) und durch Übergehen von bestehenden Gesetzen und Bestimmungen (Spanien, Portugal, Korsika, Sardinien, Kroatien, ...) direkt an zahlungskräftige Immobilien-Promoter übergeben - für die Verantwortung-heuchelnden Politiker gibt es sicher einen Obulus ins Liechtensteiner Kässle.

In den 90er Jahren schockte Mallorca den deutschen Billigtouristen mit seinen Plänen zum hochwertigen Tourismus, woraufhin sich die Billig-Willigen an den Stränden der Türkei oder Tunesiens wiederfanden. Mittlererweile ist das Prinzip Qualitätstourismus auf den kanarischen Inseln schon weit fortgeschritten, allein die Ferne von den beschäftigungsarmen Zentren Nordeuropas sorgt für eine Trennung der Touristenströme. Die aus den USA übernommene Kombination von Golfplatz und Eigenheimen verspricht den besten Gewinn, selbst wenn kaufkräftige Clientel vom anderen Ende der Welt herbeigelockt werden muss - entsprechend stehen dann diese die Küsten zersiedelnden Eigenheime und Appartments einen Großteil des Jahres leer. Der den heutigen Käufer einzig interessierende Mehrwert wird durch Spekulation und dahinter stehend schwer durchschaubare Finanzierung und nicht mehr durch Nutzung erzielt.

Macht es Sinn, bisher brach liegende "wilde" oder "trostlose" Küsten mit künstlichem Grün und scharf bewachten Spekulationsobjekten in "Zukunft" zu verwandeln?!?

Der Raubbau an unseren allgemein zugänglichen Resourcen wird sich rächen, die sich an der Gier der Menschen im Wert steigernden Immobilien am Meer werden verfallen, oder vom steigenden Meeresspiegel überschwemmt, und statt ursprünglicher Natur für alle gibt es nur noch die künstliche - global beliebig austauschbare - Urlaubslandschaft für die oberen Zehntausend. Durch diese beliebige Austauschbarkeit aber gräbt sich die hochpreisige Urlaubslandschaft ihr eigenes Grab weil sie kann durch beliebig andere Flecken in der globalisierten Welt ersetzt werden, ob nun am Persischen Golf, in der Karibik oder in Vietnam. Wenn eine Woche im betonnierten Luxusparadies mehr kostet als ein Flug um die halbe Welt, dann ist es ziemlich egal in welchem Winkel der Welt der gut bewachte Urlaub verbracht wird.

Was tun? Nun ist der Rückbau der gewilderten Küsten leider ähnlich kostenspielig wie der Rückbau von Atomkraftwerken, wobei der zehntausend Jahre strahlende Atommüll viel einfacher zu handhaben ist als die aufgescheuchten Rechtsanwälte der privilegierten Küstenbesetzer. So wird es zu unseren Lebenszeiten kaum eine die Menschen befriedigende Lösung geben. Vielleicht werden einige Urlaubslandschaften eine Art Freizeitpark mit reichen Bewohnern, wie es das Fürstentum Monaco vorexerziert. Wahrscheinlicher aber werden, trotz gegenteiliges beteuernder Politiker und Gesetze, weite Bereiche der abgesperrten Küsten von grimmigen Wächtern den Mitliedern des Jetset Lifestyle vorbehalten.

2008-03-04

Art Karlsruhe - 3000 Euro der Quadratmeter Fotografie

Mit ihrer fünften Ausgabe hat sich die Art Karlsruhe als halb-regionale Messe für Gegenwartskunst etabliert, und es gibt für jeden Geschmack und (fast) jeden Geldbeutel etwas. Am Eingang das bei solchen Gelegenheiten obligatorische Fotografieren Verboten, aber einmal drinnen wird dann fleissig fotografiert, denn anders als in Museen ist man nicht sicher, diese Kunstwerke bald wieder so konzentriert zusammen zu sehen. Die meisten machen mit Kompaktknipsen und dem unvermeindlichen Blitzlichtgewitter auf sich aufmerksam, einige schüchterne Handy-Fotografen gibt es, oder meist Profis die über die Messe berichten mit Brigdes und DSLRs.

Bei mir durchweg brauchbare Ergebnisse bei 400 ASA und 16-35mm Brennweite, auch aus der Hüfte geschossen keine Verwackler dabei, der AF der MK-II pickt sich dabei ziemlich sicher das mich interessierende Motiv heraus. Mit solch einer Kamera gab ich mich als schnappschuss-suchender Journalist zu erkennen, und einige gute Fotos sind dabei herausgekommen. Insgesamt hatte ich am Freitag den Eindruck daß es weitgehend professionel zuging, und wohl erst am Wochenende die Prospektesammler und Schnittchenschnorrer in den Messehallen unterwegs sind. In den 90er Jahren war ich öfter auf der FIAC in Paris - damit kann Karlsruhe nun nicht mithalten - aber es gibt hier mittlererweile nennenswerte internationale Beteiligung - und damit ist nicht der obligatorische Bilderhändler aus dem nahen Nachbarland gemeint - sondern zum Beispiel eine Gruppe Galerien aus Südkorea, oder eine Sonderschau zu einem Kunstinstitut aus einem der Vereinigten Emirate.

Die teilweise direkt gegen Barzahlung zu erwerbenden Fotografien sind einerseits oft eindrucksvolle Großabzüge (oder Drucke), wo dann der oben angegebene Quadratmeterpreis gilt, zum anderen meist ältere SW-Abzüge von mehr oder weniger bekannten Fotografen. Leider ist auf der Art Karlsruhe alles nach Galerien geordnet, so dass es einigem Spürsinns bedarf die interessierenden Bilder aufzuspüren. Um die Freunde der Fotografie weiter zu verwirren, gibt es nicht wenige Bilder fotorealistischer Malerei, mit oft verblüffenden Effekten.

Was mir bei der diesjährigen Ausgabe fehlte waren mehr Mulitmedia-installationen und pfiffige Maschinen, und einige der Exponate hatte ich schon vor drei Jahren hier gesehen. Positiv sehe ich die deutlich örtliche Präsenz durch ZKM und Hochschule für Gestaltung, die einige sehr clevere Dinge präsentierten: zum Beispiel die Installation Daimler32 von Wiebke Bachmann, mit dem sie in den Straßen der Stadt das wache Auge erschreckende Videos aufgenommen hat: Riesenlaster fahren an den Dachfenstern der vermeintlichen Wohnung vorbei. Weiter so!

2008-02-27

Reisen in Norddeutschland

Reiseführer gibt es wie Sand am Meer, und immer mehr Webseiten mit individuellen Reise-Erfahrungen und Reise-Tips. In den 80er Jahren war ich selbst einmal als Reiseveranstalter für Individualreisen tätig, leider gab es kein Internet damals, aber seit Mitte der 90er Jahre ist Jahtours online: Statt eines Vorwortes zu den Reiseseiten bei Jahtours.com findet der geneigte Besucher hier ein Wort über Reisen in Norddeutschland - oder eine beliebige andere nicht sonderlich interessante Gegend der Welt:

Ob du reisen sollst - so fragst du - reisen in der flachen Landschaft? Die Antwort auf diese Frage ist nicht eben leicht. Und doch würde es gerade mir nicht anstehn, sie zu umgehen oder wohl gar ein nein zu sagen. So denn also ja. Aber ja unter Vorbedingungen. Laß mich Punkt für Punkt aufzählen, was ich zum wahren Reisen für unerläßlich halte:

*** Erstens: Wer in der Norddeutschen Tiefebene reisen will, der muß zunächst Liebe zu Land und Leuten mitbringen, mindestens keine Voreingenommenheit. Er muß den guten Willen haben, das Gute gut zu finden, anstatt es durch kritische Vergleiche plattzumachen.

*** Zweitens: Der Reisende in Nordeutschland muß sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Es gibt sensation-heischende Augen, die gleich einen Gletscher oder Meeressturm verlangen, oder zumindest das größte längste schönste. Diese mögen zu Hause bleiben. Es ist mit der flachländischen Natur wie mit manchen Frauen. Auch die häßlichste – sagt das Sprichwort – hat immer noch sieben Schönheiten. Ganz so ist es mit dem Land zwischen Oder und Ems; wenige Orte sind so arm, daß sie nicht auch ihre sieben Schönheiten hätten. Man muß sie nur zu finden verstehn. Wer das Auge dafür hat, der wage es und reise.

*** Drittens: Wenn du reisen willst, mußt du die Geschichte dieses Landes kennen und lieben. Dies ist ganz unerläßlich. Wer nach Hannover kommt und einfach nur durch die menschenfeindliche Innenstadt stolpert, die mehr häßlich als gespensterhaft aufragt, wird es für ein Irrenhaus halten und entweder gleichgültig oder wohl gar in ästhetischem Mißbehagen weiterreisen; wer aber weiß: hier wurde die CeBIT erfunden; an diesem Fenster stand Guildo Horn, der sieht das unschöne Hannover mit andern Augen an. – So überall.

Wer, unvertraut mit den Großtaten unserer Geschichte, zwischen Hannover und Hamburg hinfährt, rechts die Heide, links ein paar Truppenübungsplätze, der wird sich die Schirmmütze übers Gesicht ziehn und nach BFBS im Radio suchen; wer aber weiß, hier lag das Lager Bergen-Belsen, dies ist der Freizeitpark von Soltau, oder hier wurde Kampfstoff aus dem ersten Weltkrieg entsorgt, der wird sich aufrichten im Wagen und die Heide plötzlich wie in wunderbarer Beleuchtung sehn.

*** Viertens: Du mußt nicht allzusehr durch den Komfort der großen Touren verwöhnt und verweichlicht sein. Es wird einem selten das Schlimmste zugemutet, aber es kommt doch vor, und keine Lokalkenntnis, keine Reiseerfahrung reichen aus, dich im voraus wissen zu lassen, wo es vorkommen wird und wo nicht. Zustände von Armut und Verwahrlosung schieben sich in die Zustände modernen Kulturlebens ein, und während du eben noch im bergigen Lande das beste Lager fandest, findest du vielleicht im Schenkenländchen eine Lagerstätte, die alle Mängel und Schrecknisse, deren Bett und Linnen überhaupt fähig sind, in sich vereinigt. Regeln sind nicht zu geben, Sicherheitsmaßregeln nicht zu treffen. Wo es gut sein könnte, da triffst du es vielleicht schlecht, und wo du das Kümmerlichste erwartest, überraschen dich Luxus und Behaglichkeit.

*** Fünftens und letztens. Wenn du das Wegstück wagen willst – füll deinen Beutel mit Geld. Reisen in Norddeutschland ist alles andre eher als billig. Glaube nicht, weil du die Preise kennst, die Sprache sprichst und sicher bist vor Kellner und Radarkontrollen, daß du sparen kannst; glaube vor allem nicht daß du es deshalb kannst, weil ja alles so nahe liegt. Die Nähe tut es nicht. In vielen bereisten Ländern kann man billig reisen, wenn man anspruchslos ist; hier kannst du es nicht, wenn du nicht das Glück hast zu den Dauerläufern oder Langstrecken-Radfahrern zu gehören. Ist dies nicht der Fall, ist dir der Wagen ein unabweisliches Wanderungsbedürfnis, so gib es auf, für ein Billiges deine norddeutsche Tour machen zu wollen. Eisenbahnen, wenn du ins Land willst, sind in den wenigsten Fällen nutzbar; also bleibt – das Taxi, oder, weil doch die Landschaft ausgesprochen flach ist, ab und zu ein geliehenes Fahrrad. Taxi ist teuer. Man merkt dir bald an, daß du fort willst oder wohl gar fort mußt, und die norddeutsche Art ist nicht so alles Kaufmännischen bar und bloß, daß sie daraus nicht Vorteil ziehen sollte. Wohlan denn, es kann dir passieren, daß du, um von Soltau nach Munster oder von Buckow nach Werneuchen zu kommen, mehr zahlen mußt als für einen Flug nach Berlin hin und zurück. Nimmst du Anstoß an solchen Preisen und Ärgernissen – so bleibe zu Haus.

Hast du nun aber alle diese Punkte reiflich erwogen, hast du, wie die Engländer sagen, deine Seele fertig gemacht und bist du zu dem Resultate gekommen: Ich kann es wagen, nun denn, so wag es getrost, und du wirst es nicht bereuen. Eigentümliche Freuden und Genüsse werden dich begleiten. Du wirst Entdeckungen machen, denn überall, wohin du kommst, wirst du, vom Touristenstandpunkt aus, eintreten wie in jungfräuliches Land.

Du wirst Klosterruinen begegnen, von deren Existenz höchstens die nächste Stadt eine leise Kenntnis hatte; du wirst inmitten alter Dorfkirchen, deren zerbröckelter Schindelturm nur auf Elend deutete, große Wandbilder oder in den treppenlosen Grüften reiche Kupfersärge mit Kruzifix und vergoldeten Wappenschildern finden; du wirst Schlachtfelder überschreiten, Mülldeponien und Hünengräber, von denen die Menschen nichts mehr wissen, und statt der Wikipedia-Einträge und Allerweltsgeschichten werden Sagen und Legenden und hier und da selbst die Bruchstücke verklungener Lieder zu dir sprechen. Das Beste aber, dem du begegnen wirst, das werden die Menschen sein, vorausgesetzt, daß du dich darauf verstehst, das rechte Wort für den gemeinen Mann zu finden.

Verschmähe nicht dein Zelt neben dem Bauerngehöft aufzurichten, laß dir erzählen vom Landwirt, von seinem Hof und seinem Dorf, von seiner Soldaten- oder seiner Wanderzeit, und sein Geplauder wird dich mit dem Zauber des Natürlichen und Lebendigen umspannnen. Du wirst, wenn du heimkehrst, nichts Auswendiggelerntes gehört haben wie auf geführten Touren, wo alles seinen Preis hat; der Mensch selber aber wird sich vor dir erschlossen haben. Und das bleibt doch immer das Beste.

Frei nach Theodor Fontane, Karlsruhe, im langen Herbst - früher "Winter" genannt - 2007/2008

2008-02-14

9 Jahre bei eBay

Nicht dass ich ein großer Fan des Auktionshauses bin, aber zur Preisfindung und zum zügigen Verkauf von Privatgegenständen gibt es kaum Besseres. Basierend auf meinen Erfahrungen Ende der 90er Jahre in den USA gebe ich als Verkäufer mein positives Feedback, sobald der Auktionserlös sicher auf meinem Konto ist. Säumige Käufer werden via eBay angemahnt und dem einen oder anderen wurde auch prompt sein Konto gesperrt. Mit meiner Käufer-Sofortbewertung hatte ich in den Jahren kaum "Scherereien", wobei die Fälle in denen ich selbst etwas vergessen hatte (zu beschreiben oder mitzuschicken) häufiger als echte Querulanten waren. Fazit: meine Beschreibungen wurden mit der Zeit besser, und höhere Erlöse bekomme ich auch denn das Risiko der Rachebewertung fällt weg. Wogegen derzeit kein Verkäufer gewappnet ist sind Käufer die VOR ihrer Zahlung schon schlecht bewerten, aber dies ist in meinen 9 Jahren bei eBay bisher nur einmal vorgekommen.

In den Jahren hat sich einiges bei den Auktionen verändert, aber mehr noch hat eBay das Konsumverhalten der Teilnehmer verändert. Es gibt regelrechte Schnäppchenjäger die auf der Suche nach schlecht angebotenen Schätzen sind, oder Verkäufer fordern Fantasiepreise ohne die Fortschritte der Technik anzuerkennen: Eine Digitalkamera die im Jahre 2001 für 4000 DM zu haben war, bringt nun kaum noch 200 Euro, denn für 300 Euro werden bereits wesentlich neuere Modelle angeboten. Aber Fantasiepreise haben kein langes Leben, denn unbarmherzig bucht das Auktionshaus jeden Monat die Angebotsgebühren ab, auch wenn der Artikel nicht verkauft wurde. Viele fluchen über die Gebühren, aber auf Webseiten wo gratis angeboten werden kann, findet sich sehr viel Müll, bzw. es gibt wieder Fantasiepreise für seriöse Artikel, da das Anbieten ja nichts kostet. Wer etwas Gefühl für realistische Preise hat und Geduld mitbringt, mag über Amazon verkaufen, wo das Katalogsystem immer wieder erweitert wird.

2008-02-07

Preise für SemiPro-Fotos?

Hin und wieder taucht die Frage auf, wie denn Interessenten zu antworten sei, die unsere schönen Fotos im Internet entdecken und weitere Veröffentlichungen damit planen.

Nun, als Mittel der Preisfindung für viele Dinge hat sich eigentlich eBay etabliert, aber Photos über das Auktionshaus zu verkaufen ist nur zu oft wenig ergiebig.

Ähnlich verhält es sich mit Stock-Fotos, d.h. auf Halde produzierten Aufnahmen, die bei den einschlägigen Webseiten auf einen Käufer warten. Je nach deren Renomée, Preis und Kundengefallen kommt etwas bei rum, aber meist kaum der Rede wert, sprich, bezahlt vielleicht das Benzin für einen Fototrip, aber kaum mehr.

Interessant wird das bezahlte Fotografieren erst bei speziellen Auftragsarbeiten, weil hier effektiv Zeit , Aufwand und Material in Rechnung gestellt werden können. Dies ist für Semi-Pro Fotografen eher die Ausnahme, stehen sie doch in direkter Konkurrenz zu richtigen Profis, die Booking, Rechnungsstellung, Modell- und Gebäudereleases viel besser im Griff haben.

Nun sehen wir einmal die von vielen Möchtegern-Fotografen im Web präsentierten Fotos als Stock-Fotografie an, dann ergeben sich zunehmend niedrigere Preise, zumal bei Naturaufnahmen wo es kein Model-Release und ähnliche rechtliche Hindernisse zu berücksichtigen gibt.

Gegen Nennung des Namens gebe ich nichts mehr weg, denn in der heutigen Bilderflut gibt es nur selten brauchbares Feedback, wenn auch Nutzniesser gerne die große Karriere suggerieren. Fotos die schon vorhanden sind und einen "nichts" kosten, mit einem Preis zu belegen .. ein Buch mit sieben Siegeln?!?

Etwas hilft die Analyse des Auftragsgebers in spé weiter, aber ob es nun 50 oder 500 Euro pro Bild sein dürfen ist auch bei nahmhaften Kunden schwer auszuloten. Einfach zu erstellende Aufnahmen sind sicher weniger wert als solche die komplizierte Reisen, tagelanges Warten auf den richtigen Augenblick, gute Kenntniss des Motives, oder sonstige Hindernisse beinhalten, die eine schnelle Wiederholung der Aufnahme teuer oder unmöglich werden läßt.

Summa summarum: Preise für Fotos steigen mit für den Kunden erkennbarem Aufwand bei der Aufnahme und den dem Kunden gewährten Verwertungsrechten. Allerweltsmotive für Vereinsbroschüren sind dagegen meist kaum den Aufwand wert, überhaupt eine Rechnung zu schreiben.

2008-01-28

Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen 2008

Während Hessens scheidender Ministerpräsident wohl erst nach erfolgreicher Auswertung einiger störrischer Wahlmaschinen zum Sieger gekürt wurde, sah das Wahlergebnis in Niedersachsen von vornherein klar aus:

1. Nichtwähler 43% (!)
2. CDU 24,2 %
3. SPD 17,3 %
4. FDP 4,7 %
5. Grüne 4,6 %
6. Linke 4 %

Niedersachsen's Nichtwähler hätten beide sogenannte Volksparteien in die Tasche packen können - die "Sieger"-Partei bekommt nur knapp ein Viertel der möglichen Stimmen! Auf diese Weise kommt nun das kleinere Übel an die Macht - ob nun vom winterlichen Schmuddelwetter oder der Politikerverdrossenheit motiviert - die Nichtwähler haben das Angebot zwischen Schlaftablette und Pappnase zu wählen, klar ausgeschlagen.

Aber auch im spannenden Hessen sieht die Nettowertung des Wahlergebnisses kaum besser aus:

1. Nichtwähler 33 %
2. CDU 24,3 %
3. SPD 24,2 %
4. FDP 6,2 %
5. Grüne 5 %
6. Linke 3,4 %

Politiker die mit Angstmache bei unser zunehmend älteren Bevölkerung um Stimmen werben sind für ein .. zwei Jahre erst mal kaltgestellt, und das finden auch viele der Älteren gut, aber sie hätten sich ohne Rückhalt bei den Jüngeren nicht getraut.
Nur unsere sich um Sicherheit mit manigfaltigen Überwachungsgesetzen sorgenden Innenpolterer werden sich kaum eines Besseren besinnen. Dank der großen Koalition ist die Kriminalisierung eines weiten Teiles der gemeinen Bevölkerung in den letzten zwei Jahren so weit voran geschritten, daß es bald nicht mehr sonderlich schwer fallen wird, den einen oder anderen aus unserer vielbeschworenen Mitte mit zwielichtigen Argumenten zum Schweigen zu bringen.

2008-01-25

Hollywood sucks

Zielgruppe der meisten Hollywood-Filme sind die 12 bis 18-Jährigen, bestenfalls bis 21, um die Sümpfe des in die Rede gekommenen deutschen Jugendstrafrechts auszuschöpfen. 12-jährige sind eher leichtgläubig - weshalb religöse Organisationen in der frühen Jugend ihre Kommunion und Konfirmation abwickeln - und von fetzigen Kinobildern dauerhaft zu beeindrucken.

Der Klassiker Alone at Home tingelt inzwischen regelmäßig durchs Werbefernsehen, da gibt es den nächsten Film in der endlosen Serie von New-York-City-Katastrophen, diesmal für die etwas älteren Kinder:
Wer sich korrekt verhält und geliehene DVDs wieder in den Laden zurück bringt wird vom rechten Glauben gerettet?!?
Will Smith ist sich wirklich für nichts zu schade.

Leider ist es in den USA so, dass die Jugend den Großteil ihres Wissens über die Welt aus solchen Filmen bezieht denn gegen die Flut der bunten Bilder kommt der Klamauk in der Schule schon lange nicht mehr an. Bei unseren Aufenthalten in Manhattan fielen uns sofort Besucher aus dem Landesinneren auf die an jeder Straßenecke staunend das intakte New York bewunderten. In der Vorstellung dieser Provinzbürger liegt diese Stadt nach all den Flutwellen, Monstern, und Ausserirdischen doch in Trümmern wie unser Berlin in den Tagen nach dem 2. Weltkrieg.

Nicht der erste Film der bei uns nach einem Jahr Schonfrist beim Lebensmittel-Discounter verramscht wird.

Winter Reads 2007/2008

- Beautiful Code (Oram / Wilson)
Leading programmers explain how they think (when programming in their favorite language). Gives an overview of programming paradigms and the one or other idea to lighten up bored software engineers.

- The Conquest of Nature (D. Blackbourn)
Water, Landscape, and the Making of Modern Germany
For me personally this is an intruging read, since the first chapter deals with the area where part of my ancestry originates, and the second chapter deals with the area where we live today.

- Wenn die Lichter ausgehen (E. Mann)
Some hints of times to come? I loved Klaus and Erika on the Riviera, here she muses about strange happenings in her Vaterland.

- Magrave of the Marshes (John Peel and S.Ravenscroft)
Autobiography of the most influential DJ in the world. Well, being one of the german teenagers who were the main listeners of his BFBS shows in the 70s and 80s, I owe this man the discovery of many of my favorite tunes.

- The Seventeen Provers of the World (F. Wiedijk)
Lecture Notes in Artificial Intelligence - AI is still alive but not really kicking. Here is some verdict on the provers which may make software generation easier in the 21st century, if only the bean counters realize the value of software one day.

- The lost continent (B. Bryson)
rediscovering America? To be read soon. Some ten years ago I devoured Bryson's Walk in the Woods.

- Software Estimation (S. McConnell)
Demystifying the Black Art. Regardless of the way you "generate" software, this is a very useful book dealing with managers who not know nothing of work in the trenches.

- The World Travel Atlas (Kunt)
the Google Earth of maps, valuable views of places which are hardly covered by maps, normally.

- Mastering Regular Expressions (J.E.F. Friedl)
A classic on handling cute stuff with Perl and some other languages.

- The Formal Semantics of Programming Languages (G. Winskel)
This is a tough one, after being 20 years with the fuzzy "C" language, it is hard to deal with pure logic. But there's no easy way out of the software dilema - rising complexity and outsourcing.

- The Golden Compass (P. Pullman)
when winter decides to not come to our town any more, this one may replace Anderson's Kingdom of Snow for generations to come.

- Death March (E. Yourdon)
Though this is the second edition even the first edition (which I handed a colleague as my good-bye present when he went to Benq Mobile) hits many nerves: eternal business truth, not only for software projects.

- A Sand County Almanac (A. Leopold)
Essays on conservation from Round River, WI. Shocking how rotten the world already was, back in 1949, some hundred years into civilizing America. It details the many wrongdoing of man when encountering functioning natural systems. Also featuring the Colorado Delta, when still water flowing down the river there.

- Woord & Object (W.V.O. Quine)
When I bought this book in 1992 I was hardly aware on its implications on the world we call The Internet.

2008-01-09

Radwege in der Fahrradstadt

Wer im Winter in Karlsruhe nicht mit dem Auto fahren möchte, ist mit dem KVV gut unterwegs, aber wer lieber mit dem Rad fährt ist schlichtweg schlecht dran.

Die Fahrradstadt, die im Sommer 2006 nichtsnutzige grüne Fahrradsymbole in einigen Straßen auf den Asphalt brannte, läßt ihre Radlfahrer im Winter hängen. Nach den Festen ähneln manche Radwege eher einem Scherbenweg für indische Yogis, als unseren geliebten Radwegen für feine Gummimischungen. Die Ampelschaltungen auf den sogenannten City-Routen lassen Radfahrer schon mal 2 Minuten warten, und man muss auch eine dicke Haut mitbringen, um nicht nur dem winterlichen Schmuddelwetter zu trotzen, sondern auch die schmuddelligen Radwege heil und ohne Platten zu überleben.