2010-06-08

Die Geister die ich rief ..

2010 - Willkommen im Sommer, Willkommen in Karlsruhe. Wo in den letzten 20 Jahren ein immer besseres und effizientes Nahverkehrssystem Experten aus aller Welt in Staunen versetzte, gilt es nun Unmut unter den Innenstadtnutzern zu kanalisieren. Zum Glück ist zufällig Fußballweltmeisterschaft und neben schnell durchgewunkenen Gesetzen in Berlin denkt man in Karlsruhe vor allem dran den bevorstehenden U-Bahn-Bau in Schwung zu bringen während das Volk an den Fernseher gefesselt daheim bleibt.

Weit gefehlt.

Eines der briefkastenstopfenden Anzeigenblätter vom Wochenende schrieb schon vom Spiessrutenlauf durch die Flaniermeile Kaiserstrasse - genau so wird es den überaus geduldigen Strassenbahnfahrern wohl vorkommen.

Die Mitbürger die in ihren entlegenen Ortsteilen - ja, selbst Schwarzwalddörfer wie Stupferich und Grünwettersbach liegen im Karlsruher Stadtgebiet! - damals enthusiastisch für den U-Bahn-Bau gestimmt hatten, damals 2002 .. und natürlich demokratisch einwandfrei mit 51 Prozent Mehrheit der wenigen abgegebenen Stimmen. Die fernen Dörfler werden kaum mitbekommen welch Veränderungen ihr U-Bahn-Bau für die Karlsruher Kernbevölkerung bedeutet. Gut, es ist kaum eine Woche vergangen und der Dauerstau der Strassenbahnen in der vielbeschwörten Flaniermeile wird doch wohl kein Dauerzustand bleiben? Aber es scheint System dahinter zu stecken die treuen Nutzer der Strassenbahn aus dieser vergraulen zu wollen. Die Schuld trifft am allerwenigsten die Fahrer, die oft mit Engelsgeduld ihre stetig wechselnden Fahrtrouten absolvieren. Soll Karlsruhe am Autoverkehr ersticken und der Kommerz in die Vororte abwandern?

Aber nein, es wird das menschenmöglichste getan um die Innenstadt zu bereichern: Um dem Chaos bei den Strassenbahnen noch eins drauf zu setzen bleibt der Volksamüsierplatz vorm Rathaus gerammelt voll mit mobiler Verköstigung und plärrenden Live-Darbietungen - nein, damit ist nicht der gleichzeitig stattfindende Abriss der ehemaligen Volksbank Zentrale gemeint, und auch nicht der Staub der von der Stadtkirche geputzt wird. Die Herren im Rathaus sind entweder taub oder haben gute Schallschutzfenster und Klimaanlage.

2010-06-01

Deutschland 0 : Parteienfilz 1

Bild hatte es schon vor zwei Wochen gewusst: Deutschland ohne Führung.

Der nun scheidende Bundespräsident tat es wie immer: unbequem. Unbequem kann in Politikersprache gleichauf mit gesundem Menschenverstand und überparteilich verstanden werden. Horst Köhler wird nun manche Träne nachgeweint - wir erinnern uns nur zu gut als er ohne mit der Wimper zu zucken das "für die Kinder" zusammengebastelte Zensurgesetz von Ursula von der Leyen erst einmal in Quarantäne schickte. Dann im Februar 2010, nach grober Nachbesserung und auf zunehmenden Druck hat er diese "Differenzierungsinitiative der CDU" doch noch unterschrieben, damit das Zensurgesetz pronto subito vom Verfassunggericht in Karlsruhe kassiert werden konnte. Wir danken dem unerschrockenen Verteidiger unserer Meinungsfreiheit.

Im Verlauf der Finanzkrise war er als ehemaliger Finanzexperte der Mahner mit Sicht auf das Wesentliche. Nach einem Fauxpas wie ihn manche Vollblut-Politiker viel schlimmer bringen, wurde wohl mit zuviel Dreck nach ihm und er dann das Handtuch .. geworfen.

Nun bleibt leider wenig mehr als der Dinge zu harren die da kommen müssen. Hannover hat erstmal die Nase vorn, aber Lena ist leider noch zu jung, Frau Kässmann schon zu abgebrüht, andere Bundesländer hätten auch noch ehemalige Ministerpräsidenten in der Schublade, aber den geschassten Oettinger aus Brüssel zurückholen hieße das Volk auf die Strasse bringen und das wollen wir doch nicht in unserem Land wo das Durchschnittsalter der Bevölkerung munter auf die 50 zu geht. Also, mein persönlicher Favorit wäre Frau Leutheusser-Schnarrenberger, denn die Dauerkandidatin Gesine Schwan wird wohl kaum ein drittes Mal in die Bundesversammlung kommen mögen. So wird die Wahl des Bundespräsidenten zwar nicht ausgesessen, aber es kommt unvermeidbar wieder der Parteienfilz zum Zug.

Vielleicht gewinnt Deutschland stattdessen ja was bei der WM in Südafrika? Allein der Bundesversammlungs-Wahltermin am einzig spielfreien Tag dieser Fussballweltmeisterschaft birgt Sprengkraft, denn wenn bis zu diesem allerletzt-möglichen Termin sich noch einige Freiwillige den Roland Koch antun dann wird es genau so wie Bild es schon am 18. Mai wusste.