2010-07-25

Nichtlineare dynamische Systeme

Dieser Tage erweist es sich leider wieder nur zu deutlich: Eine Politik der faulen Kompromisse und des Aussitzens endet öfter in Katastrophen als eine ehrliche Politik des fairen Miteinanders.

Nun trifft es sich daß ich seit meiner frühen Jugend naturwissenschaftlich interessiert bin und rund 40 Jahre später bedingt durch Ingenieursberuf und stetes Denken in konkreten Zusammenhängen, fällt es mir immer schwerer die Gedankengänge mancher sogenannter Volksvertreter nachzuvollziehen. Ich kenne nichtlineare dynamische Systeme und die Rolle des Zufalls in technischen Zusammenhängen, aber bei Makroökonomie - Stichpunkt Finanzwirtschaft - oder Rechtswesen, oder ganz simpler Zukunftsvorsorge ist mir oft schleierhaft wie die uns in den Staatsmedien verkündeten Entscheidungen zustande gekommen sind. Entweder wissen die was was wir nicht wissen oder sie wissen gar nichts und denken nur an ihren Vorteil.

Im Beruf erlebe ich es von Zeit zu Zeit, daß unter Vorgesetzten, Chefs und solchen die dazu benannt wurden, fachliche Kompromisse ausgehandelt werden die denen als gute Lösung, sprich win-win für beide Seiten erscheinen. Dabei wurden aber aus der Sicht der Technik die Gesetze der Physik missachtet, einfach Dinge angenommen für die es keinerlei existierende Fähig- oder Möglichkeiten gibt. Dann wird agiert, konstruiert und realisiert aber es kommt über kurz oder lang heraus daß doch die technische Sicht ihr Recht erhält, und der ausgehandelte Kompromiss nur ein fauler war, zum Schaden der Kunden, und Ingenieure müssen doppelte Arbeit machen, wegen Dummheit, Arroganz, Neid und Gier in der Chefetage.

Technische Projekte nehmen rasch unnötigen Ballast auf, wenn einige Monate in die falsche Richtung investiert wurden. Laien wundern sich warum sie als Beta-Tester herhalten müssen, warum Geräte nur halbfertig ausgeliefert werden. Kunden suchen sich dann gerne einen anderen Lieferanten dem die technischen Zusammenhänge wichtiger als firmeninterne Politik und Aufstiegschancen von Managern sind.

Was im Berufsleben von Ingenieuren bestenfalls ärgerlich ist, erweist sich auf nationaler Ebene und mit Laienschauspielern, äh .. Parteipolitikern (nicht vom Volk gewählt, sonder von Parteigremien auf die Liste gesetzt die wir zum Ankreuzen vorgelegt bekommen), zuweilen als sehr schädlich für unsere Volkswirtschaft und unseren nachhaltigen Wohlstand, manchmal tödlich für ausgewählte Bevölkerungskreise, manchmal einfach nur unverständlich und Jahre später kommt dann heraus wer wirklich davon profitiert hat.

Drei einfache Beispiele aus dem Deutschland des Jahres 2010:

1) Lagerung von hochradioaktivem Atommüll in Gorleben.

2010 ist klar daß Niedersachsen sich in den 70er Jahren geopfert hat, einen geophysikalisch bestenfalls zweifelhaften Salzstock zur sogenannten Endlagerung anzubieten. Baden-Würtemberg hat zwar die meisten Atomkraftwerke, aber auch eine höhere Bevölkerungsdichte die zudem dem konservativen/grünen Lager zugeneigt ist was wiederum bedeutet, daß ein angewandtes Verursacherprinzip, sprich ein Endlager dort, auf erheblichen und für die amtierenden Politiker "tödlichen" Widerstand stossen würde.

Rund 30 Jahre hat Gorleben nun als Zwischenlager gedient, aber über diese 30 Jahre ist kein bischen Fortschritt in der Endlagertechnologie erkennbar! Wir nehmen einfach mal an daß es auch nicht in fünfzig oder hundert Jahren den revolutionären Durchbruch in der Unschädlichmachung hochradioaktiven Mülls geben wird. Also wäre es schon längst an der Zeit sich über eine wirklich langfristige Einlagerung ERNSTHAFTE Gedanken zu machen???

Ingenieure haben sicher die eine oder andere bessere Idee in der Schublade. Amtierende Politiker aber sitzen die notwendigen weitreichenden Entscheidungen aus, weil teuer, unpopulär und ohne Nutzen für die aktuellen Atomindustrie und Energiewirtschaft. Letztere hat sich die mögliche Verseuchung unserer Kinder und Kindeskinder unter dem Deckmantel der CO2-freien Energieerzeugung sogar auf ihre Fahnen geschrieben! (EnBW-Foto)

2) Kollabierendes Renten- und Sozialsystem.

Schon Mitte der 70er Jahre war deutlich absehbar, daß uns ab 2020 gravierende Probleme in den existierenden Renten- und Sozialsystemen erwarten. Selbst unter Politikern gab es erste Warner in den 80er Jahren, doch dann wurde diese zukünftige Problematik unter der Last der Wiedervereinigung unter den Teppich gekehrt, die sich der Problematik offen bewussten Volksvertreter von den Landeslisten entfernt und erst seit dem Jahr 2000 gibt es wieder die eine oder andere zaghafte Initiative, meist zugunsten von Banken und Versicherungen, als Riester- oder Rürrup-Pläne bekannt. Wenn bald ein Drittel unserer Bevölkerung über 60 Jahre alt ist UND die eigene Armut vor Augen sieht, wie steht es dann um die parteipolitischen Erben der Aussitzpolitik frühere Zeiten?

3) Loveparade in Duisburg.

Wir schreiben das Jahr 2010 und das Kulturhauptstadt-Ruhrgebiet sucht händeringend nach einem Platz für die aus Berlin abgeworbene Loveparade. Bochum weigert sich mangels Fläche, zu Recht, Dortmund hatte schon das Vergnügen, Essen hat andere Events auf dem Plan .. Duisburg meldet sich. Das gefundene Gelände ist zwar ungeeignet, die Zugangspolitik bestenfalls hirnrissig, die Katastrophe unvermeidbar?!? Auf einer hastigen Pressekonferenz geht sofort das gegenseitige Fingerzeigen los, wer wohl diesmal einen Teil unserer Jugend auf dem Gewissen hat?

Ob nun im engen Tunnel in Duisburg, oder im billig gepanzerten Jeep am Hindukusch - Parteipolitiker entscheiden wo gestorben wird.