2013-09-25

Deutschland im Nachsommer

Während über dem Südwesten eifrig die Sonne Solarstrom liefert, wird dem Norden eher Windkraft von durchziehenden Tiefdruckausläufern beschert.

Immerhin, in den letzten 10 Jahren hat sich gewaltiges in der Energieerzeugung dieser Republik gewandelt. So konnten bedenkenlos einige der störanfälligen Atomkraftwerke abgeschaltet werden, denn bis zu 20 Prozent des Stroms kommen je nach Wetter aus den erneuerbaren Energien, sprich Windkraft und Solar. Und relativ unbemerkt von den innerstädtischen Menschenmengen haben Biogasanlagen das flache Land überzogen. Nun kann auch in der Einöde vielerorts dezentral elektrischer Strom generiert werden, damit vielleicht bald wieder Menschen in die entvölkerten Landstriche Nord- und Ostdeutschlands ziehen und den ländlichen Gegenden Deutschlands ein neues Leben geben?

Neues Leben für die Politik gab es im September, zeitgleich zur Frankfurter Automesse wurde in Hessen, Bayern und als Sahnehäubchen in der ganzen Bundesrepublik ein neues Parlament gewählt. Zu meinem ausdrücklichen Erstaunen mit fast-DDR-mäßiger Wahlbeteiligung deutlich über 70 Prozent so daß die Nichtwähler nur noch knapp vor der CDU in den Bundestag eingezogen wären, wenn es denn endlich die von mir seit Langem verlangte Repräsentation von Nichtwählern dort gäbe.

Dann gibt es noch Wähler die zwar den Zettel in die Urne bekommen, aber entweder nichts angekreuzt haben, oder nichts eindeutig gewählt haben. Immerhin 1,6 Prozent! Über eine halbe Millionen Stimmen vergeudet in unserem Land. Schon mal locker mehr als die NPD oder die vielgepriesenen Freien Wähler. Mit ihren Direktkandidaten hatte die FDP zwar eine Million Stimmen eingeheimst, aber seien wir doch ehrlich, denen weint wirklich keiner mehr nach. Weit ausgeglichener das Verhältnis Erst- zu Zweitstimme bei den Grünen, der Linken, und den Piraten. Hier wird Ideologie gewählt, statt Person. Mehr als einen Achtungserfolg erzielte die AfD, als aktuelles Sammelbecken der Protestwähler.

Drohen uns jetzt italienische Verhältnisse? Eine geduldete Minderheitsregierung, oder ohne richtige Not eine große Koalition?

2013-07-03

Die lassen es krachen!

Die hunderste Tour de France hat nach vier Tagen eine für europäische Ohren neue Mannschaft ganz vorne:
1) Am ersten Tag gewinnt Orica-Greenedge die Buswertung indem sie ihren Mannschaftsbus dekorativ unter der Zieleinfahrt einklemmen, und damit sogar die Ankunft der ersten Etappe in Frage stellen, denn da steht ja für bange Minuten der Bus und kommt nicht weg.
 
http://www.youtube.com/watch?v=IysrERmAOFc


2) Am dritten Tag gewinnt einer ihrer Fahrer die Etappe.
3) Und am vierten Tag gewinnen sie das Mannschaftszeitfahren und das gelbe Trikot.

Ein Blick auf die Wikipedia-Seite der Hauptsponsoren zeichnet ein etwas düsteres Bild, zeichnet sich Orica dort als Lieferant gefährlicher Chemikalien und Sprengstoffe für Minenunternehmen aus.

But hey, these guys rock!

2013-06-01

Malle im 21sten Jahrhundert

Während daheim die Heizung bollert - der Juni ist gekommen - haben wir ein paar Gedanken aus dem 17. Bundesland zusammengetragen

In der Nebensaison gibt es durchaus traumhafte Strände mit azurblauem Wasser an denen man sich nicht gegenseitig platt tritt, doch wer auf der Suche nach dem Ursprünglichen von vielen Zeitschriften und Reiseführern hochgelobten Mallorca ist .. hat es schwer. Der gemeine Tourist des 21. Jahrhunderts wird durch drei Schichten Sicherheitsverwahrung von der hier real lebenden Bevölkerung sowie jeglicher Mallorca-Romantik abgeschirmt.

1. Ihre All-Inklusive Hotelanlage. 

Mit integriertem Wellness und Fitness (Indoor-Biking!) ohne das Gelände zu verlassen, nebst Laden für chinesische Souvenirs wo Mallorca draufsteht, und seit über zehn Jahren wird sowieso alles in Euro bezahlt, also immerhin ohne lästige Geldwechslerei wie etwa in der Türkei oder in Nordafrika, wenn man dort mal ausserhalb der Anlage etwas unternehmen wollen würde. Diese Touristen-Konzentrations-Anlagen entstanden meist in den 90er Jahren als sich Mallorca allmählich bewusst wurde welchen Schaden der Bauboom der 70er Jahre angerichtet hatte. Es kleben durchweg vier spanische Sterne am Eingang zu diesen Erlebnisparadiesen. Einen halben Stern wohl für das schnurgebundene Telefon im Zimmer, einen weiteren halben Stern für die Tag und Nacht besetzte Rezeption, und mit den verbleibenden drei Sternen sind wir der Realität schon ein gutes Stück näher. Während das All-Inklusive Volk durch regelmäßige Mahlzeiten - Verpflegung den verbleibenden Sternen entsprechend - und wohlorganisierte Kinderverwahrung (je nach Hotel-Kette in deutsch oder englisch) in Schach gehalten wird, ist das Informationsangebot im hoteleigenen Kabelfernsehen .. beschränkt. Es gibt zwar ARD und ZDF, aber für ein Drittes oder gar ARTE hat es nicht gereicht. Von den Öffentlich-Rechtlichen hat es immerhin KiKa geschafft, denn die Kinderverwahrung wird nur zu bestimmten Zeiten angeboten. Für Österreicher und Schweizer gibt es 3Sat. Das Erwachsenen-Entertainment beschränkt sich auf zweimal SuperRTL und DSF, nebst den obligatorischen spanischen Kanälen. Vermutlich gibt es "technische Gründe" für diese Auswahl. Tageszeitungen habe ich am Pool nur eine Sorte gesehen, die man auch aus drei..vier Metern Entfernung schon ganz gut lesen kann. Einen Vorteil dieser Anlagen möchte ich dann doch nicht verschweigen, hier drinnen werden Sie nicht von afrikanischen Brillen- und Uhrenverkäufern belästig, und auch die chinesischen Massage-Ladies schaffen es nicht an ihren Rücken, hier.

2. Ihr Hotel in einer Touristen-Hochburg. 

Wer nicht von All-Inklusive verwahrtwöhnt wird, dem ist der Aufenthalt in gemeinschaftsfördernden Urlaubsorten angedient. Hier gibt es alles für den zünftigen Ghettobewohner, in vertrauter urbaner Gestalt. Nein, diese Orte wurden nicht im Krieg zerbombt wie das heimelige Hannover, Pforzheim, Oberhausen, aber auch Sheffield, und Swindon, denn immer wieder wird hier mit der englischen Fahne gewedelt. Nach dem Krieg sind hier sind Gier und Korruption der Kern der Urbanisation und es gibt einige Gebäude im Originalzustand (!) aus den frühen siebziger Jahren. Noch ältere Bauten sind oft schon dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, denn auch im sonnigen Mallorca hält Beton nicht ewig und wenn der Balkon unter dem Liegestuhl wegbröselt, bekommen das rasch die einschlägigen Reiseunternehmen mit und buchen ihre Kontingente woanders. Auf Mallorca haben wir vier richtig heftige Ansammlungen von Touristen-Betonsilos lokalisiert: neben klassischem Ballermann El Arenal gleich beim Flughafen gibt es im Westen das Konglomerat Palma Nova - Santa Ponsa, im Osten das schmalstrandige Cala Millor und ein besuchenswertes skurilles Ensemble von Bausünden in Can Picafort. Wer sich nichts aus 70er Jahre Beton im Originalzustand macht, kann den Blick in der Horizontalen belassen und wird mit buntester Reklame für Supermarket nebst Spirituosen und Strandartikeln belohnt. Dazwischen wird deutsches und/oder englisches Bier ausgeschenkt und die hier allgegenwärtigen senegalesischen Brillen- oder Uhrenverkäufer tuscheln was von "best price" ohne diesen Preis je zu nennen - Geschäftsmodell Geldwäsche? Bei manchen Geschäften an der Strandpromenade - China-Ramsch, Elektroschrott, ja selbst Duty Free gibt es! - scheint dies die einzig mögliche Erklärung zu sein. Preise und Angebot sind an zahlungskräftige Briten und Skandinavier gerichtet, immerhin gibt es in Cala Millor auch einen Lidl in dem sich deutsche Urlauber gleich heimisch fühlen dürfen. Aldi hat es auf Mallorca nicht, dafür den nordspanischen Discounter "Eroski". Neben Shopping und in der Sonne liegen gibt es als Hauptattraktion wohl den Konsum von Alkohol, besonders Skandinavier werden hier mit Schnaps zum Preis von skandinavischem Bier geködert. Am drittgrößten spanischen Flughafen mit seinen rund 80 Gates sahen wir viele Menschen mit gleichfarbigen T-Shirts die eine frohe Freizeitgemeinschaft verheissen: Fussballfreunde, Kegelklub, Reservisten .. Bier-aus-dem-Eimer-Trinker.

3. Die alle Aktivitäten umfassende Suburbane Urlaubslandschaft. 

Das idyllische Mallorca wie es sich unseren Vorfahren in der Mitte des letzten Jahrhunderts dargeboten hat, als sie mit propellerbewehrten Condors die Insel erobert haben .. gibt es nicht mehr. Aus, vorbei. Nix. Wenn Sie was finden sollten dann ist es gespielt, künstlich, extra für Sie inszeniert. Im frühen 21sten Jahrhundert hat der letzte Bauboom der spanischen Geschichte einen breiten Streifen in Küstennähe, aber auch weite Landstriche im Innenland .. zersiedelt. Zum Beispiel das ehemals ländliche Son Servera ist inzwischen mit dem oben erwähnten Cala Millor zusammengewachsen. Golfplätze, Kartbahnen, Aquapark, Schnellstraße ins "urige Fischerdorf" Cala Ratjada. Wo es im letzten Jahrhundert neben der buckeligen Landstraße noch ein wenig Finca-Idylle gegeben haben mag, sind unzählige Parzellen mit Ferienhäuschen entstanden, gerne auch im trocken-heißen Landesinneren in der Nähe der Autobahn. Womit wir bei der dritten Gruppe Urlauber gelandet sind. Sie kommen zwar auch mit AirBerlin (gefühlt mehr Flugzeuge in PMI als in TXL), TUIfly, oder EasyJet, aber fahren dann mit dem Leihwagen zum angemieteten Häuschen. Schon in der Nebensaison bestreiten diese knuddeligen Mietwagen (von Kia Picanto über Polo und Corsa bis Seat Mii) über die Hälfte des Straßenverkehrs im Nordosten und Süden der Insel. Nur in Palma haben die Einheimischen die Oberhand gerne auch mit IB-Kennzeichen denn auf der Nachbarinsel Ibiza gibt es nicht genug Platz für alte Mietwagen. Viele Straßen auf Mallorca sind sehr gut ausgebaut, neben den vorzüglichen Gratis-Autobahnen gibt es einen mautpflichtigen Tunnel nach Soller. So sparen sich die Besucher der provencalisch anmutenden Nordküste einige Kurbelei und die serpentinenreiche Bergstraße ist frei für die zahlreichen Hobby- und Semi-Profi-Radler.

2013-05-17

Generation Hochdach Golf

Ob nun Golf Plus oder Tiguan [und ähnliche Gefährte vom Schlag eines einsteigefreundlichen X1, Q1 oder gar .. Mokka?!?], - da fahren sie nun, die Helden unserer Kindheit! Manchmal wünschen wir ihnen ein Nachtsichtgerät und vor allem den Spurhalteassistent, aber auf solchen Schnickschnack pfeifen sie noch.
Denn damals, ja Anfang der 70er Jahre, als es mit dem der Post abgeluchsten L319 aus Sindelfingen nach Goa ging. Auf dem Landweg. Mit Handschaltung und Zwischengas. Gerne mit der Dieselversion denn da konnte man Heizöl und Rapsschnaps mit verfeuern. Und ohne all den elektronischen Schnickschnack ohne den man heute kein Auto mehr bekommt.
 In Deutschland gab es zweispurige Autobahnen und nur selten wurden unsere Helden der Jugend von schwarzqualmenden Lastwagen überholt. Österreich durfte noch ohne Pickerl durchquert werden und dann begann auch schon der Balkan, was damals meistens Jugoslawien hieß. Eine Qual der Wahl war, ob über das sozialistische Bulgarien oder das für Altsprachler interessantere Griechenland gefahren wurde. Egal, bald fing die Türkei an. Es ging mit der Fähre über den Bosporus denn die Brücke war erst Mitte der 70er fertig. Und dann wurde unsere Vorgängergeneration von den Weiten Anatoliens empfangen. Zwar noch nicht mit Steinwürfen wie dies Radwanderer aus den 80er Jahren berichteten, dafür mit der Frage ob hier links oder rechts gefahren wird und eigentlich hat der Mercedes mit seinem Stern ja immer Vorfahrt. Wer sich hier sein Gefährt nicht hat abkaufen lassen - einige wild bemalte Daimler bevölkern seit dieser Zeit den Nahen Osten - der gelangte nach Wochen der Strapazen an die persische Grenze. Dort herrschte damals der Schah - eine in westlichen Frauenmagazinen wohlbekannte Figur - und dank ersten Erfolgen in der Erdölförderung brauchte auch unser Daimler keine Salatölinjektionen. Hier ging es auf den Spuren von Karl May mitten durchs Land, vom Roten Meer hielt man wegen der Piraten Abstand und gelangten meist einen Monat nach Abfahrt aus dem wolkenverhangenen Berchtesgadener Land ins sonnige Belutschistan.
Mit zunehmender Reisezeit hatten sich unsere Alternativurlauber an den Orient akklimatisiert und auch keine Probleme mehr mit der zünftigen Übergabe von glitzerndem bayrischem Bakschisch an lokale Honoratioren. Dies beschleunigte die Fahrt manchmal, machte manch unpassierbare Straße zum wohlasphaltiertem Highway, denn die Karten der damaligen Zeit waren sich oft uneins über die wahren Verhältnisse der Wege zwischen zwei Orten. Was hätten sie damals für ein Handy mit Google Earth gegeben. So wurde halt der lokalen Bevölkerung gegeben und mit etwas Glück gab es auch mal starken Tabak zum Rauchen statt der gewohnten Steinwürfe oder Fußtritte.
Ein paar -zig Jahre zu spät waren die letzten wirklich Landreisenden nun mit dem künstlichen Staatengebilde Pakistan konfrontiert. Wegen hoher Gebirgspässe war Afghanistan schon damals keine Reise wert und es bestand Gefahr daß der bis hierher vielfach geflickte L319 dort endgültig seinen Geist aufgäbe. Die heutige Generation Rollkoffer [ich schrieb hier bereits darüber] braucht sich bei der Bundeswehr nur nicht allzu dämlich anzustellen und schon gibt es genau diese Reise mit dem gepanzerten Mercedes Unimog durch Afghanistan. Damals hatte man auch gerne bewaffnete Gesellen im L319 dabei, denn das lokale Banditentum war noch nicht zum Drogenhandel konvertiert.
Und Pakistan war nicht Indien wenn auch hier schon der Indus aus den schneegekrönten Spitzen des Himalayas ins breite Tal von Hyderabad floss. Es sollte ja an den Strand von Goa gehen.
Mit etwas List und dem westdeutschen Bundesadler auf Papier wurde manch erlösendes Passagevisum durch die islamische Republik ergattert. Hier ging es nun eben wegen der Berge immer am Meer entlang, von Gwadar nach Karatschi und schließlich ins gelobte Land. Viele wählten die Route über Rajastan nach Delhi um in der deutschen Botschaft erstmal mit Geld aus der Heimat aufzutanken und frisch gestärkt den indischen Subkontinent zu erkunden.

2013-04-04

Bedenken bedürfen besonderer Besorgnisse - Berlin

Unser diesjähriger Osterausflug hat uns ins weihnachtliche Berlin verschlagen. Karfreitag mit Schneetreiben auf der Autobahn, im Radio läuft die Weihnachts-Sondersendung und Zuhörer rufen an mit ihren Vorschlägen für die festlichen Tage. Am Alex schlendern wir über den festlich geschmückten Weihnachstmarkt, es gab Glühwein und Schoko-Herzen, nur die Tannenbaumverkäufer fehlten für das perfekte weihnachtliche Ambiente.

Apropos Perfektion, wegen der Entfernung komme ich nicht mehr so oft nach Berlin, 2009 war ich zuletzt meist im Süden und Osten der Stadt unterwegs, 2007 um den Ostbahnhof und durch Mitte gewandert, 2003 mit dem Rad über 200 km durch den Osten und den Norden gefahren, so kann ich nur oberflächlich und ein wenig aus Touristensicht die Dinge beobachten und weitererzählen.

Es gibt rund 25 Jahre nach dem Mauerfall eine ausufernde Souvenir-Industrie, ich bin sicher daß man mit all den angeblichen Mauerstückchen die ganze Bundesrepublik einsperren kann. Zwischen Atomschutzbunker und dem notorischen Checkpoint Charlie werden viele Mauer-Male vor allem von Touristenbussen und Stadtrundfahrten angefahren, so daß selbst Sonntags in der Früh ein ernstes Verkehrschaos entsteht. Den meist südländischen oder anglophonen Touristen scheint es nichts auszumachen, aber wir als quasi-Einheimische hatten doch einige Mühe, Sehenswürdigkeiten ohne einen Schwarm von Touristenbussen zu finden:

Zum Beispiel das Berliner Großplanetarium mit historischen Zeiss-Projektoren die einem den Himmel über Berlin verdrehen. Straßen- und S-Bahn halten gleich daneben. Billiger als Kino und durchaus sehenswert mit aktuellem aus der Weltraumkunde. Das zweite Ziel ist der Botanische Garten in Dahlem, auch hier keine Touristenbusse weit und breit, dafür ein wirklich großes Tropenhaus, und der Jahreszeit angemessen - es ist weihnachtlich - ein hügeliger Gebirgsgarten in dem sich so manches karge Pflänzlein unter der schützenden Schneedecke versteckte. Wen das leibliche Wohl dort interessiert, im Tropenhaus gibt es Kaffee und Kuchen und schnellgewärmtes in einer durchaus dem ehemaligen Ostberlin angemessenen Atmospäre. Nostalgie regiert Berlin!

2013-03-21

Vor dreissig Jahren

Für Politiker: 1983.

Lange habe ich überlegt auf welches meiner vergangenen Lebensjahre ich zurückblicke, aber wie so viele von uns zähl ich eher an den Jahreszahlen als an meinen eigenen Jahren. Jahre die so viel zu schnell vergehen oder nicht schnell genug je nachdem wie alt wir sind oder wie alt wir uns fühlen.

1983 war eins von den schnellen Jahren. Es gab die ersten IBM PCs in deutschen Landen, mit lächerlichen 64 kByte Hauptspeicher - heute schauen wir schon mies wenn ein neuer PC "nur" vier Gigabytes eingebaut hat - hach, selbst Telefone - MOBILtelefone zum in die Tasche stecken - werden nach Gigabytes und Gigahertz beurteilt. Und .. Darf es ein Prozessor mehr sein? Die universellen Taschenkommunikatoren, denn darum das handelt es sich bei den sogenannten Smartphones bald Superphones werden untrennbares Bestandteil unseres menschlichen Seins werden.

Doch vor dreissig Jahren .. was hätte ich für ein bischen bessere Kommunikationstechnologie gegeben. Ok, an der Uni gab es erste Vorgänger von email, immerhin. Daneben wurden noch Lochkarten in Schächte geschoben damit der Cyber Rechner von einer Firma namens "Control Data" damit herumrechnet. Und daheim hatte ich einen ersten eigenen Rechner mit Fernseher als Terminal und Programme auf Audiokassetten(!). Apropos, über den Winter hatte ich einige meiner Kassetten aus den 80er Jahren in MP3 "überspielt" da über die Zeit manch damals liebgewonnene Musik sich nie als LP, CD oder ebenjenes immaterielle MP3 materialisiert hat.

Von meinen Tapedecks der damaligen Zeit hat nur eines halbwegs funktionstüchtig überlebt, meist sind die Gummi-Riemen aufgelöst oder zerbröselt, manchmal die Steckverbinder zwischen den Platinen und der Frontbedienung, oder die Kondensatoren der Netzteile sind ausgetrocknet. Die Kassetten selbst haben überraschenderweise gut die 20..30 Jahre trockene und warme Lagerung überstanden. Ich hatte damals viel Taschengeld in TDK SA und Maxell UDXL investiert. Eine lohnende Investition, denn die Kassetten von damals geben nach über 20 Jahren mehr her als mein alterndes Hörorgan noch wahrnehmen kann. Einzig einige wenige BASF "Chromdioxid" Kassetten haben 3..8 dB an Kraft verloren und klingen nicht mehr spritzig. Die Sony Cr Kassetten hat es schlimmer erwischt, irgendwie ist ein wenig Tageslicht drangekommen und hat Teile von den Bändern zersetzt. 35 Jahre alte Sony FeCr dagegen ohne Probleme, fast wie neu. Einsames Schlusslicht die Ende der 70er heiß beworbenen Memorex, wegen dem hohen Preis habe ich nur fünf davon, zum Glück. Metallbänder hätte man damals kaufen können, einwandfrei nach über 30 Jahren und auf eBay gibt es Höchstpreise dafür.

Apropos Ende der 70er, in den späten 70ern und durch die 80er Jahre bin ich oft von Norddeutschland ans Mittelmeer. Aber nicht mit dem vom Papi zum Abi geschenkten Auto, oder wie Generation Rollkoffer mit dem Billigflieger, sondern mit eigener Pedalkraft über Landstraßen - Autobahn bin ich nur selten geradelt - und .. über die Berge. 1983 führte mich meine achte große Radtour ins Hochgebirge. Die deutsche B3 und die Straßen der Schweiz waren mir schon von früheren Touren vertraut, diesmal ging es am Genfer See nach Süden und unter dem Mont Blanc vorbei zu den Pässen der Tour de France. Mitte Juli. Es war heiß. Im Tal der Maurienne musste ich einen neuen Reifen aufziehen und dann ging es den Galibier hinauf. Mit 12 Kilo Fahrrad und 12 Kilo Gepäck für vier Wochen Sommerferien, aber kein Begleitfahrzeug und niemanden in dessen Windschatten ich hätte fahren können, nur tausende Kilometer aus der norddeutschen Tiefebene in den Beinen. So brauchte ich eine volle Woche für die 1300 Kilometer bis Menton. Und nach den schönen Tagen an der Riviera ging es zurück, diesmal wählte ich die kürzere Route über den Großen Sankt Bernhard für den schwierigen Weg nach Norden.

Ja, 1983 war ein schnelles Jahr und viele Erinnerungen ranken sich um Ereignisse und Entscheidungen die mein Leben in die Bahn gelenkt haben auf die ich nun zurückblicke.

2013-03-06

Ich kaufe ein "B"

Die deutsche Sprache geht den Bach runter.

Dank eines undeutlich und schwammig formulierten Gesetzes ist nun jedes Wort verboten welches nicht ausdrücklich für die Veröffentlichung im Internet von papierbedruckenden Deutschen erlaubt wurde. Kann gut sein daß ich in Zukunft hier nur noch auf Englisch schreibe, diese Sprache scheint sicherer, denn:

In Kombination mit anderen von wohlmeinenden Bundestagsjuristen fest institutionalisierten Gesetzen - sollen ihre Kollegen nicht darben wenn sie selbst schon vom Volk durchgefüttert werden - gibt das sogenannte Leistungsschutzrecht einiges an Abmahnpotential für potentiell unliebe Meinungsäusserungen in nicht zentral kontrollierten Medien her.

Da sind wir nun. Noch ist das LSR nicht durch den Bundesrat und auch Karlsruhe könnte ein Wörtchen mitreden müssen um unsere eifrigen Gesetzesgeber mal wieder am Ohr zu ziehen.

Aber ein Anfang ist gemacht, und vieles erinnert an die herablassende Haltung vieler Veranstalter bei deren Veranstaltungen zwar die papierbedruckende Zunft ohne weiteres eingeladen wird, auch wenn es nur der grlsfgh Verlag aus Hintertupfingen mit seinem zwölfseitigen Heimatblatt ist, aber Blogger mit nationaler gar internationaler Reichweite und Fachkompetenz werden nur mit Presseausweisen und einem gedruckten Impressum eingeladen, als ob dies im 21sten Jahrhundert noch relevant sei.

Nungut, so meiden wir diese Veranstaltungen wie auch in Zukunft die sogenannten Neuigkeiten die uns die schwindende Zunft der Presseverlage noch unterjubeln möchte. Es geht auch ohne.

2013-01-11

Maspalomas - Die Stadt der selbstleuchtenden Kinder

Hach, die Mode hat uns nach 25 Jahren Abstinenz, die Neonfarben wiedergebracht! Zumindest sieht die heutige Jugend darin besser aus als in den unsäglichen pseudo-military gehaltenen Tarnkleidern der letzten 5..10 Jahre. Und es erinnert mich natürlich an meine eigene Jugendzeit, die noch so frisch im Gedächtnis, und doch so fern daß Generationen zwischen der heutigen und der meinigen liegen.
Hier im graudeutschen Alltag machen sich die kräftigen lauten Farben bisher wenig bemerkbar, aber dort wo ich um die Jahreswende war braucht es keine durchstichfeste Wetterschutzkleidung, einzig wenn die Sonne zu sehr brennt sollte man den Schatten bevorzugen da mittel- und nordeuropäische Haut dann rasch versengt. Um die Jahreswende kein Thema, einzig in der Mittagszeit wurde es manchmal unangenehm sonnig.War ja tiefer Sonnenstand um Mitt-Winter herum. An einer Sonnenuhr konnten wir Sonnenhungrigen Mittel- und Nordeuropäer denn auch gut sehen wo die Sonne im Mitt-Sommer hier steht, nämlich fast senkrecht über unseren im Winter wenig bekleideten Köpfen. Aber im Sommer kommt kaum jemand aus dem hohen Norden, dafür sind die Kanarischen Inseln eine beliebte Sommerfrische für Spanier, die dem innerspanischen Wüstenklima oder der tropisch drückenden Mittelmeerhitze entfliehen.
So ist hier das ganze Jahr über etwas los und der Tourismus hält die Inseln am Leben. Denn sonst regt sich wenig: Die gesamte Bautätigkeit ist zum Erliegen gekommen, nur selten eine Baustelle auf der sich etwas bewegt, kaum Baukräne über den Wüstenarealen die hier im südlichsten Europa erst mit künstlicher Bewässerung zum Leben erweckt werden können. An vielen Häusern prangt zwar der Name des zukünftigen Besitzers "Se Vende", aber im Vergleich mit der weniger krisengeschüttelten französischen Riviera hat der Herr "Se Vende" keine wirklich umfangreichen Reichtümer auf den Inseln zusammenkratzen können.
Auch die lokale Bevölkerung scheint nicht übermäßig über die besuchenden Nordländer herfallen zu wollen, sei es weil die gestiegene Polizeipräsenz sie abschreckt oder sei es weil ebenjene Nordländer sich doch gut erholen sollen um die Ausgleichszahlungen der Europäischen Union nicht versiegen zu lassen. Uns war neben der Polizeipräsenz ein etwas gesunkenes Serviceniveau aufgefallen, auch Arbeitsplätze im Tourismus wurden eingespart. Dafür soll demnächst - sind Wahlen auf den Inseln? - die Infrastruktur in den Tourismuszentren verbessert werden.
Wir konnten uns über Infrastruktur kaum beklagen, einzig einige der überaus zahlreichen Shoppingcenter waren verwaist oder sind in Auflösung begriffen. Besonders hart hat es in Maspalomas das Faro 2 getroffen, hier sind noch 25 Prozent belegt, wir rechnen damit daß bei unserem nächsten Besuch in ein paar Jahren hier kleine exklusive Bungalows gebaut werden. In Meloneras hat sich mit der Etablierung des Kongresszentrums auch das Shopping in Richtung Leuchtturm verlagert, so daß an der Playa Meloneras über 50 Prozent des Betonungetüms in den Dünen leer steht. Immerhin gibt es hier im nahen Hinterland einige Wüstenparzellen mit Straßen und Beleuchtung, aber ohne jegliche Bebauung. Vielleicht wird es ja mal wieder.