2011-10-10

Das Tiefbauamt und die Physik

Wer hin und wieder mit dem Fahrrad unterwegs ist, wundert sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle. Wer wie ich in den letzten 40 Jahren über 200000 (zweihunderttausend) Kilometer mit dem Rad zurückgelegt hat, weiss es besser. Nach dem Krieg kamen mit zunehmender Motorisierung auch die sogenannten Radwege zur sicheren Wegleitung des motorlosen Individualverkehrs in Mode. Wer als routinierter Fahrradfahrer dort fährt, braucht gute Nerven, einen siebten Sinn, ein gefedertes Mountainbike mit Scheibenbremsen und trotzdem, es bleibt nach den meisten Radwegen das Gefühl: hier wär'ste besser auf der Strasse gefahren!

Auf reichlich mit Radwegschildern bestückten Seitenstreifen, Bürgersteigabschnitten, Asphaltpfaden etc. erwarten den flotten Radler zum Beispiel Kurvenradien von 2 Metern. Die bringen normale Radfahrer zu Fall oder zwingen zur Vollbremsung. Obendrein auf Radwegen mit Gegenverkehr oder wo blinde Fußgänger rum laufen - denn welcher Fußgänger schaut sich schon um wenn er kein Auto kommen hört? - und wo Autos parken. Oder: Radwege aus Pflastersteinen mit deutlichen Fugen. Kann man gleich Kopfsteinpflaster verlegen und Paris-Roubaix drüber jagen. Das Beste: Radwege die im Nichts enden, gerne auch im Städtebaulichen Nirvana.

Hier meine Vermutungen über die Physikalischen Gesetze und Verordnungen wie sie beim für Radwegbau zuständigen Tiefbauamt gelten:

§ 1: Radfahrer sind Verkehrsteilnehmer die höchstens mit doppelter Schrittgeschwindigkeit vorankommen dürfen.

§ 1.1: Radfahrer müssen SOFORT anhalten können. Innerhalb von einer Fahrradlänge. Maximal.

§ 1.2: Schilder- und Ampelmasten sowie Wahlkampfwerbung zum Schutze der erst-genannten sind mittig auf dem Radweg anzubringen.

$ 1.2.1: In Zeiten ohne Wahlkampf soll Werbung für Konzerte der Volksmusik und Auftritte von vergessenen Komikern die Schilder- und Ampelmasten vor Zusammenstößen mit Radfahrern schützen.

§ 1.2.2: Alternativ gebietet sich der Einsatz von Blumenkübeln an Stellen wo zuviele Autos auf dem Radweg parken.

§ 1.3: Radfahrer sollten die Hälfte ihres Weges zu Fuß unterwegs sein.

§ 1.3.1: Radfahrer dürfen Zebrastreifen nur zu Fuß überqueren.

§ 1.3.2: Absteigen und Schieben zählt als "Radfahren".

§ 2: Radfahrer die unseren geliebten Autoverkehr irgendwie behindern könnten, sind zu eliminieren auf Radwege zu verbannen.

§ 2.1: Als Radweg kann jede halbwegs befestigte Fläche beschildert werden, ausserhalb der Straßenfläche die für den Automobilverkehr reserviert ist.

§ 2.2: Einmal von der zielführenden Straße getrennt, soll man Radfahrer in sichere Verkehrsbereiche leiten: Nebenstraßen, Kleingartenkolonien, Sackgassen oder abgesoffene Unterführungen.

§ 3: Die Qualität der Radwege ist daran zu messen wieviel Pannen normale Fahrräder und Rennräder pro Kilometer Radweg erleiden. Es gilt: Je mehr desto besser.

§ 3.1: Solange die Mountainbike-Teststrecke der Radweg mit einem soliden vollgefedertem Mountainbike ohne großen Schaden an Mensch oder Material absolviert werden kann, bleibt das Radweg-Schild.

§ 3.1.1: Die Polizei und kommunale Ordnungskräfte / schwarze Sheriffs / Blockwarte .. kassieren von Fahrradfahrern die sich nicht an die Radwegepflicht halten.

§ 3.2: Zusatzpunkte für Split und Glasscherben auf dem Radweg. Die Deutsche Fahrradreifenindustrie ist führend in der Welt!

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