2012-08-17

Verpflichtungserklärung

In diesen deutschen Hochsommertagen begab es sich daß ich meine 10. Verpflichtungserklärung erhalten habe. Dies ist eine Einladung für Menschen aus Ländern die ein Visum für die Europäische Union benötigen. Diese durch die Verpflichtungserklärung offizialisierte Einladung gibt es in meiner kleinen Stadt in einem sogenannten Bürgerbüro. Das Bürgerbüro ist eine Behörde wo all die Vorgänge für die noch die persönliche Inaugenscheinnahme von Dokumenten und Personen notwendig ist, abgewickelt werden. Man bekommt dort Ausweispapiere jeglicher Art, kann sich (einfach) oder sein Auto (schwierig) anmelden, ummelden und vermutlich auch abmelden. Ich habe "abmelden" noch nicht getan, seit ich nach über zehn Jahren im Ausland wieder zurück in Deutschland bin, gefällt es mir recht gut in Karlsruhe, so bleibe ich erstmal.

Karlsruhe ist eine fortschrittliche Stadt, sie haben jedes Jahr ein anderes Motto das auf einem überdimensionalen Schild neben der vierspurigen Umgehungsstraße allen Vorbeifahrenden gezeigt wird. "Stadt der jungen Forscher" stand dort zu lesen oder auch "Geburtsstätte des Fahrrads", also ob das die Benutzer der Autostraße interessieren würde. Wer sich denn einmal neugierig geworden von der die Stadt umgehenden Autostraße weg in die Innenstadt begibt, oder begeben möchte, wird gleich mit einer Überdosis Fortschrittlichkeit aus den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts belohnt: Auf einer achtspurigen Innenstadtautobahn kann der gewillte Besucher an den großartigen U-Bahn-Baustellen vorbeisausen, denn in die Stadt hinein - nein! Es gibt kein funktionierendes Park & Ride wie in den meisten richtigen Großstädten. Park & Ride wurde ja erst in den achtziger Jahren, nachdem die meisten Städte ihre U-Bahn im Untergrund hatten, eingerichtet, um die wenig ansprechenden dunklen Kanäle unter der Stadt mit Volk aus den nichtsahnenden Umlandgemeinden zu füllen.

Doch zurück zur Verpflichtungserklärung. Was mir die gute Bürgerbüro-Bildschirmtipperin nicht erklären konnte war die Notwendigkeit meiner persönlichen Vorsprache. Denn wir laden seit vielen Jahren immer die selbe Person ein, wir sind auch immer die selbe in Karlsruhe wohnende Familie, und das einzige was sich ab und zu verändert sind die Nummern unserer Ausweisdokumente. Wobei dem ehrenwerten Bürgerbüro eigentlich die Nummer meines Personalausweises bekannt sein sollte, haben sie ihn mir dort doch selbst ausgehändigt. Auf Befragen warum diese nicht leicht abzuschreibenden kryptischen Buchstaben-und Zahlenreihen vom Personalausweis per Hand in ein Formular geschrieben und dann von der Bildschirmtipperin vom Formular wieder abgelesen in ein Computersystem eingegeben werden - statt die vorhandenen Personalausweislesegeräte für diese fehlerträchtigen Aufgabe zu nutzen - gab es nur Kopfschütteln oder Schulterzucken. Genauso wurden von der Bildschirmtipperin meine aus zuvor heruntergeladenen PDF Dateien sorgfältigst ausgedruckten Lohnbescheinigungen in Augenschein genommen, als wenn das Finanzamt nicht schon seit langem genauestens wüsste wieviel Geld ich jeden Monat auf mein Konto überwiesen bekomme, und woher. Aber wir sind hier ja nicht beim Finanzamt, sondern im Bürgerbüro. Wenn es dem Bürger was nützt. Für mich hat diese umständliche Prozedur eher den Anschein das ganze Getue um die Verpflichtungserklärung sei eine gigantische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Bildschirmtipperinnen.

Wenn ich heute - vielleicht im Gegensatz zu Teilen meiner kleinen Stadt durchaus damit einverstanden bin mich im 21sten Jahrhundert zu befinden - zum Beispiel in einem Geschäft etwas kaufen möchte, und das gewünschte Produkt ist nicht vorrätig .. bieten die Verkäufer/innen mir rasch an, es doch für mich bestellen zu wollen. Aber dann kommt meine niederschmetternde Antwort - 21stes Jahrhundert!: "Bestellen kann ich selbst." Danke.

Nur die Erklärung der Verpflichtungen wird noch für Jahrzehnte in sorgsamst ausgetüftelten Verwaltungsrichtlinien die persönliche Vorsprache als unbedingt notwendig erachten. Baden-Würtemberg ist hier wirklich das Land der Tüftler.