2012-12-07

Mit dem Daimler durch Ingolstadt

Strategen haben Tor 9 draussen in die Ödnis gelegt. Einst war es eine klitzekleine Elektrikabteilung, so mit Lichtmaschine und Autoradio. Gänge wurden von Hand geschaltet und wer die Kilometerzahl niedrighalten wollte brauchte nur die Tachowelle auszuhängen.

Zu solchen Zeiten kam ich gut per Anhalter durch die kleine Galaxie die sich Europa nennt. Von Spanien bis Griechenland, mit dem Zastava 600, im Einser-Golf oder auch mit einer Ente ohne Dach. Ok, schon damals gab es die ersten Anflüge von Elektronik im Auto, einmal im Vorläufer des 6er Coupé mitgefahren, da werkelt schon die elektronische Einspritzung. Aber heuer war ich nicht bei den blau-weissen, hier in Ingolstadt werkeln die vier Buchstaben die für die vernebelte Stadt an der Donau die Welt bedeuten.

Und wenn die Welt zu Besuch kommt, dann hilft es nichts, wer nicht vom VIP-Service aufgelesen wird, muss wohl oder übel in einem Daimler zum Tor 9 hinausfahren. Bei Tor 9 ist Dauerbaustelle, denn immer wieder fällt es neuer Elektronik ein, sich im Automobil einzunisten und unsere geliebten Produkte süddeutscher Hersteller verwandeln sich immer mehr zu Rechenzentren auf Rädern. Früher waren Rechenzentren streng gesicherte Orte mit Stacheldraht und Panzersperren. Heute hat jeder von uns diese Rechenleistung in der Hosen- oder Jackentasche, weil aus dem primitiven Handy ist ein Smartphone geworden, das allmählich selbst das heimische Rechenzentrum überflüssig macht.

Die Firma mit den vier Buchstaben hat unjüngst ein neues Rechenzentrum auf die grüne Wiese gestellt, draussen bei Tor 9 gibt es noch Quadratkilometer flaches Land für zukünftige Expansion. Nur mit dem eigenen Auto kommt man hin, das ist eine Manie der Autobauer und ihrer Zulieferer die eigenen (oder gemieteten) Lohnsklaven in die Blechbüchse mit den vier Rädern zu zwingen. So war ich noch im November im nagelneuen Parkhaus T39 zu Besuch, aber diesmal ohne eigenes Blech sprang ich am anderen Ende der kleinen Donaustadt in den Daimler - des Taxifahrers liebste E-Klasse - und ließ mich zum Tor 9 kutschieren. Denn dorthin fährt kein Bus, und für Straßenbahn reicht es noch nicht in Ingolstadt. So stehen sie im Stau beim Schichtwechsel und Feierabend, und die Gäste fahren im Daimler.

Vielleicht sollte ich mich mit Don Alfonso befreunden, er hat eine feine Sammlung Fahrräder in der Stadt, mit denen ich sicher schneller und umweltfreundlich in die Tundra beim Tor 9 kommen könnte. Geschäftsidee für ältere Herren: Einen Fahrradverleih in der Autostadt. Und wenn wir schon mal dabei sind: in Wolfsburg gibts auch keinen. Dazu mehr ein ander mal.